Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Schrifttum
Lüdicke, Die Haftung in der körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft, in FS für Herzig, München 2010, 259;
Elicker/Hartrott, Angriffspunkte gegen die Haftung im Organkreis – Teil 1: Erwägungen auf Tatbestandsebene unter Berücksichtigung des Verfassungsrechts, BB 2011, 2775, Teil 2; Erwägungen auf Ermessensebene, BB 2011, 3093;
Mayer, Asset Deal wegen § 73 AO? – Reichweite der Haftung bei Unternehmensverkäufen, DStR 2011, 109;
Meier, Zweifelsfragen im Rahmen der Haftung nach § 73 AO unter besonderer Berücksichtigung der gewerbesteuerlichen Organschaft, StW 2013, 49;
Schimmele/Weber, Haftung bei der Organschaft – Offene Fragen zu § 73 AO, BB 2013, 2263;
Gehm, Die Haftung bei Organschaft gemäß § 73 AO – Risikoprofil in der Praxis, StBp 2016, 37.
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Haftung der Organtochter für die Organmutter erstreckt sich auf alle Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft steuerlich von Bedeutung ist. Die Vorschrift findet ihre Rechtfertigung darin, dass bei der steuerlichen Anerkennung einer Organschaft die vom Organträger zu zahlende Steuer auch die Beträge umfasst, die ohne diese Organschaft von der Organgesellschaft geschuldet worden wären (Gesetzesbegründung). Die Organschaft bewirkt, dass aus steuerlicher Sicht Steuerschuld und Steuerverursachung auseinander fallen und sich auf zwei zivilrechtlich selbständige Subjekte verteilen. Der Steuerbescheid eröffnet nur den Vollstreckungszugriff auf die Organmutter als Steuerschuldnerin. Erst der Haftungsbescheid ermöglicht auch die Vollstreckung in das Vermögen der Organtochter als Steuerverursacherin. Die Begrenzung in § 73 Satz 1 AO ist auch bei mehrstufigen Organschaften zu beachten (BFH v. 31.05.2017, I R 54/15, BStBl II 2018, 54).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Haftung setzt zunächst das Bestehen eines Organverhältnisses und dessen steuerliche Anerkennung voraus. Insoweit sind die in den Einzelsteuergesetzen enthaltenen Definitionen maßgeblich, die nicht deckungsgleich sind (s. §§ 14ff. KStG; § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GewStG; § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Hiernach liegt ein Organverhältnis grundsätzlich dann vor, wenn eine juristische Person unbeschadet ihrer zivilrechtlichen Selbstständigkeit wirtschaftlich, finanziell und organisatorisch in ein beherrschendes Unternehmen eingegliedert ist. Für die körperschaftsteuerliche Organschaft genügt die finanzielle Eingliederung.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Organgesellschaft, d. h. die in das beherrschende Unternehmen eingegliederte juristische Person haftetfür solche Steuern des beherrschenden Unternehmens (Organträgers), für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist. Das sind diejenigen Steuern, bei denen sich die Anerkennung des Organschaftsverhältnisses auswirkt oder auswirken kann. Es ist nicht darauf abzustellen, ob ohne die steuerliche Anerkennung des Organschaftsverhältnisses der betreffende Betrag von der Organgesellschaft zu entrichten wäre. Die Regelung bewirkt, dass der Organkreis als einheitliches Ganzes betrachtet wird (gl. A. Loose in Tipke/Kruse, § 73 AO Rz. 5; a. A. Elicker/Hartrott, BB 2011, 2775, BB 2011, 3093; Schimmele/Weber, NN 2013, 2263).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Haftung erfasst nur die Steuern und die ihnen gleichstehenden Erstattungsansprüche (§ 73 Satz 2 AO; keine Zinsen: BFH v. 05.10.2004, VII R 76/03, BStBl II 2006, 3), die während des Bestehens des steuerlich anerkannten Organverhältnisses entstanden (s. § 38 AO) sind. Die Inanspruchnahme der haftenden juristischen Person setzt nicht voraus, dass das Unterordnungsverhältnis im Zeitpunkt der Geltendmachung des Haftungsanspruchs noch besteht (BFH v. 08.09.1983, V R 114/78, UR 1983, 222; FG Mchn v. 27.05.1987, XIII (III) 145/85 AO, EFG 1988, 48) oder die steuerliche Anerkennung noch fortdauert.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zur Inanspruchnahme der Organgesellschaft als Haftende durch Haftungsbescheid und Leistungsgebot s. §§ 191, 219 AO. Die zu treffende Ermessensentscheidung wird wegen der schwerwiegenden Auswirkungen (Haftung für die einschlägigen Steuern des gesamten Konzerns) eine besonders sorgfältige Abwägung erfordern. Hierbei wird auch auf die Interessen von Minderheitsgesellschaftern Rücksicht zu nehmen sein.