A. Bedeutung und Anwendungsbereich der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift bestimmt für das gesamte Besteuerungsverfahren Deutsch als Amtssprache und regelt den Umgang mit fremdsprachlichen Eingaben. Angesichts der Vielzahl im Inland ansässiger ausländischer Staatsangehöriger kommt der Vorschrift erhebliche praktische Bedeutung zu. § 87 Abs. 1 AO entspricht wörtlich § 184 GVG. Die Beschränkung auf Deutsch als Amtssprache dient der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung; sie stellt weder einen Verstoß gegen Grundrechte noch gegen Völkerrecht dar (BVerfG v. 25.09.1985, 2 BvR 881/85, NVwZ 1987, 785). Auch aus dem AEUV ergibt sich keine Verpflichtung der Behörden, mehrsprachig tätig zu werden, insbes. liegt kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV vor.
B. Tatbestandliche Voraussetzungen
I. Deutsch als Amtssprache
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 87 Abs. 1 AO stellt klar, dass das Besteuerungsverfahren in deutscher Sprache abgewickelt wird. Damit wird zugleich zum Ausdruck gebracht, dass Äußerungen der Behörden (Verwaltungsakte einschließlich Rechtsbehelfsbelehrung; vgl. BFH v. 09.03.1976, VII R 102/75, BStBl II 1976, 440; BFH v. 21.05.1997, VII S 37/96, BFH/NV 1997, 634; FG Köln v. 08.03.2016, 2 K 794/13, EFG 2016, 1212) stets in deutscher Sprache erfolgen und unabhängig davon wirksam werden, ob der Betroffene der deutschen Sprache mächtig ist oder nicht. Deshalb beginnen auch Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelfristen ungeachtet dessen zu laufen, ob der Bekanntgabeadressat die Belehrung verstanden hat. Etwaige sprachbedingte Fristversäumnisse können bei der Prüfung, ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, zu berücksichtigen sein (BFH v. 21.05.1997 VII S 37/96, BFH/NV 1997, 634; FG Bre v. 28.11.2016, 3 K 52/16 (1), ECLI:DE:FGHB:2016:1128.3K52.16.1.0A). Die Vorschrift enthält jedoch kein Verbot, bei Gesprächen mit den Stpfl. eine Fremdsprache zu verwenden. Deshalb lässt auch die FinVerw. (AEAO zu § 87, Nr. 1) Verhandlungen in fremder Sprache zu. Ebenso dürfen Merkblätter und Informationen in Fremdsprachen veröffentlicht werden. "Deutsch" i. S. von § 87 Abs. 1 AO ist die hochdeutsche Sprache, nicht Dialekte oder Mundarten.
II. Fremdsprachliche Eingaben
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Fremdsprachliche Anträge, Eingaben, Belege, Urkunden oder sonstige Dokumente (einschließlich elektronischer Dokumente, s. § 87a AO), die bei einer Finanzbehörde vorgelegt werden, sind nicht allein deshalb unbeachtlich; sie müssen aber auf Verlangen der Finanzbehörde unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, in Übersetzung vorgelegt werden (§ 87 Abs. 2 Satz 1 AO). Das Übersetzungsverlangen steht im Ermessen der Finanzbehörde. Das Verlangen ist Verwaltungsakt, das mit dem Einspruch angefochten werden kann. In einfachen Fällen kann also auf eine Übersetzung verzichtet werden. Ebenso kann eine Übersetzung auch durch eigene Bedienstete vorgenommen werden (AEAO zu § 87, Nr. 1). In anderen Fällen, insbes. also etwa, wenn der genaue Wortlaut für die rechtliche Beurteilung von ausschlaggebender Bedeutung ist und daher Ungenauigkeiten einer mehr oder weniger laienhaften Eindeutschung nicht hingenommen werden können, kann die Finanzbehörde nach § 87 Abs. 2 Satz 2 AO die Vorlage einer beglaubigten oder von einem öffentlich bestellten oder beeidigten Dolmetscher oder Übersetzer angefertigten Übersetzung verlangen. Hierfür sollte dem Einreichenden eine Frist gesetzt werden, in der zugleich darauf hingewiesen wird, dass die Finanzbehörde berechtigt ist, sich selbst eine Übersetzung zu beschaffen, wenn die verlangte Übersetzung (§ 87 Abs. 2 Sätze 1 bzw. 2 AO) nicht unverzüglich vorgelegt wird. In beiden Fällen hat der Beteiligte die anfallenden Kosten zu tragen. Die bei einer Beauftragung durch die Finanzbehörde in Rechnung zu stellende Vergütung regelt § 87 Abs. 2 Satz 4 AO. Hieraus ergibt sich, dass der Beteiligte nicht mit höheren Kosten belastet werden darf, als sich aus der Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz ergeben.
Ob die Finanzbehörde von der ihr in § 87 Abs. 2 Satz 3 AO eingeräumten Möglichkeit, sich auf Kosten des Beteiligten selbst eine Übersetzung zu beschaffen, Gebrauch machen will, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (§ 5 AO). Es ist ihr grundsätzlich nicht verwehrt, das auf § 87 Abs. 2 Satz 1 oder 2 AO gestützte Verlangen mit Zwangsmitteln gem. § 328 AO durchzusetzen. Es kann aber auch ermessensfehlerfrei sein, wenn die Finanzbehörde von der Beschaffung einer Übersetzung absieht und die Eingabe als unbeachtlich behandelt. Auch auf diese Möglichkeit sollte der Beteiligte mit der Fristsetzung für das Einreichen der Übersetzung hingewiesen werden.
III. Auswirkungen auf Fristen
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 87 Abs. 3 und 4 AO behandeln den Einfluss fremdsprachlicher Anträge, Anzeigen oder Willenserklärungen auf den Beginn bzw. Lauf von Fristen. Soll durch das fremdsprachliche Vorbringen ein fristgebundenes Tätigwerden der Finanzbehörde ausgelöst werden, beginnt der Lauf der Frist nach § 87 Abs. 3 AO erst mit dem Zeitpunkt, in dem der Finanzbehörde eine Übersetzung vorliegt. Die Vorschrift ...