A. Einführung
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Steuerverwaltungsakte werden mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist formell bestandskräftig, wenn kein Rechtsmittel eingelegt worden ist (s. § 118 AO Rz. 35). Im Unterschied zu Urteilen, die in Rechtskraft erwachsen und nach ihrem Wirksamwerden mit Ausnahme des Falles der Wiederaufnahme nicht mehr geändert werden können, sind Steuerverwaltungsakte auch nach Eintritt der Bestandskraft noch korrigierbar. Die Korrektur von Steuerverwaltungsakten steht im Spannungsverhältnis zwischen der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und dem Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen auf den Bestand der Regelung.
B. Übersicht über Korrekturvorschriften
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Geregelt ist die Korrektur von bestandskräftigen Steuerverwaltungsakten in den §§ 130 und 131 AO sowie den §§ 172 bis 177 AO. Dabei unterscheidet die AO bei der Korrektur von Steuerverwaltungsakten zwischen Steuerbescheiden und ihnen gleichgestellten Verwaltungsakten und sonstigen Steuerverwaltungsakten. §§ 172ff. AO sind ausschließlich auf die Korrektur von Steuerbescheiden und ihnen gleichgestellten Bescheiden anwendbar (s. Vor §§ 172–177 AO Rz. 3), §§ 130f. AO gelten ausschließlich für die Korrektur sonstiger Verwaltungsakte.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Steuerbescheide und ihnen gleichgestellt Bescheide sind gebundene Entscheidungen und können nur korrigiert werden, wenn sie rechtswidrig sind (von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt Rz. 44 m. w. N.). Dagegen ist eine Korrektur bei sonstigen Steuerverwaltungsakten auch zulässig, wenn sie rechtmäßig sind (§ 131 AO), da es sich regelmäßig um Ermessensentscheidungen handelt, bei denen im Rahmen des Ermessens mehrere alternative Entscheidungen rechtmäßig sein können.
C. Anwendungsbereich der §§ 130f. AO
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Anwendung der §§ 130f. AO ist beschränkt auf die Korrektur sonstiger Steuerverwaltungsakte (s. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2d AO). Sonstige Steuerverwaltungsakte sind alle Steuerverwaltungsakte, die nicht Steuerbescheide oder ihnen gleichgestellte Bescheide sind (s. Vor §§ 172–177 AO Rz. 5). Dies sind u. a.
- Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung
- Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung (§ 149 AO) und zur Buchführung (§ 141 Abs. 2 AO)
- Abrechnungs- und Anrechnungsverfügungen zu Steuerbescheiden
- Abrechnungsbescheide gem. § 218 Abs. 2 AO
- selbstständige Anforderung einer Sicherheitsleistung (§ 241 AO)
- Aufforderung zur Abgabe von Steuererklärungen (§ 149 AO)
- Aussetzung der Steuerfestsetzung (§ 165 Abs. 1 Satz 4 AO), der Vollziehung (§ 361 AO) und des Einspruchsverfahrens (§ 363 AO),
- Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227, 234 Abs. 2 AO)
- Eintragung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis in die Insolvenztabelle (BFH v. 24.11.2011, V R 13/11, BStBl II 2012, 298; BFH v. 06.12.2012, V R 1/12, BFH/NV 2013, 906)
- Erlass (§§ 163 und 227 AO)
- Feststellungsbescheid über die Feststellung von im Insolvenzverfahren bestrittenen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 251 Abs. 3 AO) (BFH v. 11.12.2013, XI R 22/11, BStBl II 2014, 332)
- Freistellungsbescheinigungen gem. § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG, § 50d Abs. 2 Satz 1 EStG
- Fristverlängerungen (§ 109 AO)
- Haftungs- und Duldungsbescheide nach § 191 Abs. 1 AO
- Nichtveranlagungsbescheinigungen gem. § 44a Abs. 2 Nr. 2 EStG
- Prüfungsanordnung (§ 196) (BFH v. 15.05.2013, IX R 27/12, BStBl II 2013, 570)
- Rücknahme und Widerruf nach §§ 130f. AO (s. Rz. 12)
- Steueranrechnungen von Steuervorauszahlungen (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG, § 49 Abs. 1 KStG, § 18 Abs. 4 UStG) und von Steuerabzugsbeträgen (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Die Anrechnungsverfügung in Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheiden entfaltet Bindungswirkung für einen nachfolgenden Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO und kann nur unter den Voraussetzungen der §§ 129, 130, 131 AO geändert werden (BFH v. 15.04.1997, VII R 100/96, BStBl II 1997, 787; v. 26.06.2007, VII R 35/06, BStBl II 2007, 742; BFH v. 18.09.2007, I R 54/06, BFH/NV 2008, 290; BFH v. 27.10.2009, VII R 51/08, BStBl II 2010, 383; BFH v. 12.11.2013, VII R 28/12, BFH/NV 2014, 339; von Wedelstädt in Gosch, § 130 AO Rz. 17). Die Aufhebung des Steuerfestsetzungsbescheids führt dazu, dass die Anrechnungsverfügung gem. § 131 Abs. 2 Nr. 3 AO widerrufen werden kann (BFH v. 14.06.2016, VII B 47/15, BFH/NV 2016, 1428).
- Stundung (§ 222 AO)
- Verbindliche Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO) (von Wedelstädt, DB 2006, 2386; von Wedelstädt in Gosch, § 130 AO Rz. 17).
- Verspätungszuschlag (§ 152 AO)
- Verwaltungsakte im steuerlichen Ermittlungsverfahren wie z. B. Auskunftsersuchen, Prüfungsanordnung
- Zustimmung zur Wahl eines abweichenden Wirtschaftsjahres (BFH v. 07.11.2013, IV R 13/10, BFHE 243, 350 = BFH/NV 2014, 199)
- Zwangsmittelandrohung und -festsetzung (§§ 328ff. AO),
und deren Ablehnung. Auf die Aufzählung in AEAO Vor §§ 130, 131, Nr. 2 und 3 wird ergänzend verwiesen.
§§ 130f. AO. findet nach § 164a StBerG auch auf Verwaltungsakte im Verfahren nach dem Steuerberatergesetz Anwendung.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Keine Anwendung finden §§ 130 und 131 AO auf S...