Schrifttum
von Wedelstädt, Die Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden nach den §§ 164, 165, 172 bis 1977 AO, DB Beilage 20/86;
Gosch, Das Wiederaufgreifen unanfechtbar abgeschlossener Verwaltungsverfahren im Steuerrecht, DStZ 1991, 445;
Randak, Bindungswirkungen von Verwaltungsakten, JuS 1992, 32;
Seibert, Europarechtliche Frist- und Bestandskrafthemmungen im Steuerrecht, BB 1995, 543;
Clausnitzer, Zur Änderung bestandskräftiger USt-Bescheide bei Umsetzungsdefiziten von EG-Recht, KFR Fach 2 AO, § 172, 1/96, 229;
Lemaire, Durchbrechung bestandskräftiger Steuerbescheide?, AO-StB 2001, 230;
Gersch, Korrektur von Steuerbescheiden, AO-StB 2003, 299 sowie 337;
Herff, Änderungsmöglichkeiten von Steuerbescheiden, KÖSDI, 2003, 13733;
Balmes/Graessner, Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf das deutsche Verfahrensrecht, AO-StB 2005, 139;
Gersch, Änderung oder Berichtigung eines Steuerbescheids?, AO-StB 2005, 207;
Krumm, Zur materiellen Bestandskraft im Verhältnis zwischen Steuerfestsetzungs- und Feststellungsverfahren, DStR 2005, 631;
Musil, Aktuelle Fragen der Bestandskraft von Steuerbescheiden, DStZ 2005, 362;
Finke, Rückwirkung und Bestandskraft in der Entwicklung der europäischen Rechtsprechung, IStR 2006, 212;
Öhlinger/Potacs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht, 3. Aufl. 2006;
Nothnagel, Keine erneute Änderung eines bestandskräftigen Änderungsbescheides nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO bei Berufung auf vorausgegangene Zustimmung des Steuerpflichtigen, HFR 2007, 310;
Günther, Änderung und Berichtigung von Steuerbescheiden, Aktuelle Rechtsprechungsentwicklungen, AO-StB 2010, 337;
Nöcker, Aktuelle Rechtsprechung zum Verfahrensrecht, AO-StB 2010, 334;
von Wedelstädt, Steuerliche Wahlrechte im Korrektursystem der AO, AO-StB 2012, 150;
Bartone/von Wedelstädt, Korrektur von Steuerverwaltungsakten, 2. Aufl. 2017.
A. Bedeutung der Vorschriften
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Anders als es die Überschrift vor den §§ 172ff. AO vermuten lassen könnte, enthält die AO – ebenso wenig wie die VwVfG des Bundes und der Länder sowie das SGB X – keine Regelung über die Bestandskraft. Vielmehr regeln die §§ 172–177 AO, unter welchen Voraussetzungen die (materielle) Bestandskraft (s. Rz. 12) von Steuerbescheiden durchbrochen wird, und legen damit die Voraussetzungen für deren Korrektur fest, die im Steuerrecht als Massenverfahren erforderlich ist. Wegen der Kompliziertheit des materiellen Steuerrechts und der großen Anzahl der zu erlassenden Bescheide ist dieses Verfahren besonders fehleranfällig. Die ergangenen Bescheide dürfen wegen den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes aber nicht beliebig geändert werden. Auf der anderen Seite erfordert der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG; s. § 3 AO Rz. 17 f.) die Übereinstimmung der ergangenen Bescheide mit dem materiellen Steuerrecht. Die genannten Prinzipien haben Verfassungsrang, da sie wesentliche Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) sind. Dem Ausgleich zwischen der Rechtsrichtigkeit und der Rechtssicherheit dienen die §§ 172ff. AO.
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Korrektur von bestandskräftigen Bescheiden richtet sich zunächst nach der Grundnorm des § 172 AO. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO ermöglicht die Korrektur von Steuerbescheiden allgemein dann, wenn dies durch gesetzliche Vorschriften zugelassen ist. Zu diesen Änderungsvorschriften gehören insbes. die §§ 173–175b AO, aber auch besondere steuerrechtliche Regelungen (s. § 172 AO Rz. 41). Der so eröffnete Änderungsrahmen wird durch die §§ 176, 177 AO begrenzt, die selber keine Korrekturmöglichkeit schaffen. Neben die §§ 172ff. AO treten zum einen die §§ 164 Abs. 2, 165 Abs. 2 AO, die eine materielle Bindungskraft der Steuerbescheide (teilweise) ausschließen, zum anderen die §§ 130, 131 AO, die Rücknahme und Widerruf von sonstigen Steuerverwaltungsakten (s. Rz. 5) regeln, auf die die §§ 172ff. AO keine Anwendung finden (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d AO), sowie § 129 AO, der die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten hinsichtlich aller Steuerverwaltungsakte gestattet.
B. Gemeinsame Voraussetzungen der §§ 172ff. AO
I. Steuerbescheid
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die §§ 172–177 AO gelten für Steuerbescheide und ihnen gleichgestellte Bescheide, also solche Steuerverwaltungsakte (§ 118 Satz 1 AO), für welche auf die für Steuerbescheide geltenden Vorschriften verwiesen wird (s. Rz. 6); von diesem Verweis werden auch die Korrekturnormen der §§ 172ff. AO erfasst (von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 40).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Steuerbescheid ist der Verwaltungsakt, durch den die Steuer festgesetzt wird (§ 155 Abs. 1 AO), d. h. festgestellt wird in welcher Höhe ein bestimmter Stpfl. eine bestimmte Steuer schuldet. Auch Änderungsbescheide sind Steuerbescheide i. S. der §§ 172ff. AO, da durch sie die Höhe der Steuer (geändert) festgesetzt wird. Steuerbescheide sind des Weiteren (vgl. von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 37 ff.):
- Ablehnungsbescheide, mit denen die Änderung einer Steuerfes...