Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 38 FGO bestimmt die örtliche Zuständigkeit des FG, den Gerichtsstand, regelt damit, welches der sachlich zuständigen FG (§ 35 FGO) den konkreten Rechtstreit zu entscheiden hat. Die Vorschrift gilt für das Klageverfahren. Für Anträge auf AdV ist das "Gericht der Hauptsache" zuständig (§ 69 Abs. 3 Satz 1 FGO). Dies gilt auch für die örtliche Zuständigkeit, sodass sich die örtliche Zuständigkeit für AdV-Verfahren nach der örtlichen Zuständigkeit in der Hauptsache richtet (Steinhauff in HHSp, § 38 FGO Rz. 12). Eine analoge Anwendung des § 38 FGO auf diese Verfahren ist daher nicht erforderlich (vgl. von Beckerath in Gosch, § 38 FGO Rz. 3; a. A. Herbert in Gräber, § 38 FGO Rz. 2, jedoch einschränkend für den Fall der anhängigen Hauptsache Rz. 20; Brandis in Tipke/Kruse, § 38 FGO Rz. 1; bislang offengelassen vom BFH, z. B. BFH v. 27.01.2009, X S 42/08, BFH/NV 2009, 780; BFH v. 29.06.2015, III S 12/15, BFH/NV 2015, 1421). Entsprechendes gilt gem. § 114 Abs. 2 Satz 1 FGO für den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die örtliche Zuständigkeit richtet grundsätzlich nach dem Sitz der verklagten Behörde (§ 38 Abs. 1 FGO). Dabei kommt es nicht auf den Sitz der nach § 63 FGO richtigen Behörde, sondern ausschließlich nach dem Sitz der Behörde an, gegen welche die Klage tatsächlich gerichtet ist. Wenn die Klage gegen einen von einer örtlich unzuständigen Behörde erlassenen Steuerbescheid gerichtet ist, ist gleichwohl das FG nach § 38 Abs. 1 FGO örtlich zuständig, in dessen Bezirk die örtlich unzuständige Behörde ihren Sitz hat (BFH v. 24.08.2017, V R 11/17, BFH/NV 2018, 14). Mangelt es der tatsächlich verklagten Behörde an der Passivlegitimation gem. § 63 FGO, ist also die Klage gegen die falsche Behörde gerichtet, lässt dies die örtliche Zuständigkeit gem. § 38 Abs. 1 FGO unberührt. § 38 Abs. 2 Satz 1 FGO stellt im Interesse des betroffenen Steuerpflichtigen primär auf dessen Wohnsitz usw., wenn die Klage sich gegen eine oberste (Landes- oder Bundes-) Finanzbehörde richtet (§§ 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 FVG). Andererseits bestehen keine Bedenken im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gegen die aus § 38 Abs. 1 FGO begründete örtliche Zuständigkeit des FG BB für alle Streitigkeiten über die Gewährung der Altersvorsorgezulage, die der Deutschen Rentenversicherung Bund – ZfA – mit Sitz Brandenburg/Havel zentral übertragen wurde (BFH v. 08.07.2015, X R 41/13, BStBl II 2016, 525). Bei Zöllen, Verbrauchsteuern und Monopolabgaben kommt es auf den Bezirk der Tatbestandsverwirklichung an, es sei denn der Kläger hat in dem betreffenden Bezirk keinen Wohnsitz etc.; dann greift § 38 Abs. 1 FGO (§ 38 Abs. 2 Satz 2 FGO). Ändert sich die Zuständigkeit des FA, führt dies zu einem Beklagtenwechsel und hat einen Wechsel in der Zuständigkeit des FG zur Folge, wenn infolge des Beklagtenwechsels ein anderes FG nach § 38 Abs. 1 FGO zuständig ist (BFH v. 09.11.2004, V S 21/04, BStBl II 2005, 101). Die Wohnsitzverlegung des Klägers nach Rechtshängigkeit lässt die örtliche Zuständigkeit des FG jedoch unberührt (BFH v. 26.11.2009, III B 10/08, BFH/NV 2010, 658). Aus der – als verfehlt abzulehnenden – Rspr. des BFH, nach der z. B. in Streitigkeiten über die Feststellung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis zur Insolvenztabelle das FA in die Rolle des Klägers und der Insolvenzverwalter in die des Beklagten wechseln soll (BFH v. 13.11.2007, VII R 61/06, BStBl II 2008, 790 m. krit. Anm. Bartone, jurisPR SteuerR 3/2009), ergibt sich das hierdurch überflüssigerweise geschaffene Problem, dass § 38 FGO nicht für die Konstellation gilt, in denen eine natürliche Person – der Insolvenzverwalter – Beklagter ist (BFH v. 09.04.2014, III S 4/14, BFH/NV 2014, 1077). Zur Bestimmung des örtlich zuständigen FG in diesem Fall s. § 39 FGO Rz. 2.
Tz. 2a
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Abweichend von § 38 Abs. 1 und Abs. 2 FGO (s. Rz. 2) enthält § 38 Abs. 2a FGO eine Sonderregelung für Verfahren des Familienleistungsausgleichs (§§ 62 bis 78 EStG), also v.a. Kindergeldsachen. Hiernach ist nicht in erster Linie der Sitz der beklagten Behörde, sondern der Wohnsitz des Klägers für die Bestimmung des zuständigen FG maßgeblich (§ 38 Abs. 2a Satz 1 FGO). Nur wenn der Kläger im Inland keinen Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) hat, richtet sich die örtliche Zuständigkeit des FG nach dem Sitz der beklagten Behörde (§ 38 Abs. 2a Satz 2 FGO). Hintergrund der Neuregelung war die Neuorganisation der Bundesagentur für Arbeit, die zu einer drastischen Reduzierung der Zahl der örtlichen Familienkassen geführt hat. Bei unveränderter Fortgeltung des § 38 Abs. 1 FGO hätte dies zu einer Konzentration der Kindergeldverfahren bei wenigen FG geführt (Brandis in Tipke/Kruse, § 38 FGO Rz. 4). Hierzu auch s. Vor FGO Rz. 140.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Wie die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist auch dessen örtliche Zuständigkeit Sachurteilsvoraussetzung (s. Vor FGO Rz. 28)...