Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 47 FGO ordnet für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage an, dass die Klage innerhalb eines Monats nach der letzten Behördenentscheidung zu erheben ist. Eine spezielle Klagefrist enthält § 367 Abs. 2b Satz 5 AO (s. § 367 AO Rz. 30). Die Einhaltung der Klagefrist ist Sachentscheidungsvoraussetzung, die auch in der Revisionsinstanz ohne entsprechende Verfahrensrüge zu überprüfen ist (z. B BFH v. 24.09.1985, IX R 47/83, BStBl II 1986, 268; BFH v. 19.02.1993, VI R 70/92, BFH/NV 1993, 552, BFH v. 08.02.1996, III R 127/93, BFH/NV 1996, 850; s. Vor FGO Rz. 36). Aus § 47 Abs. 1 FGO folgt unmittelbar, dass die Klagefrist für die allgemeine Leistungsklage und die Feststellungsklage nicht gilt.

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Monatsfrist für die Erhebung der Klage beginnt grds. mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (§§ 124 Abs. 1, 366 AO; s. § 54 Abs. 1 FGO). Demnach läuft die Klagefrist nicht an, wenn die Einspruchsentscheidung nicht wirksam bekannt gegeben wird (BFH v. 20.10.1987, VII R 19/87, BStBl II 1988, 97) und dieser Mangel auch nicht geheilt wird (z. B. BFH v. 18.03.2014, VIII R 9/10, BStBl II 2014, 748; BFH v. 28.07.2015, VIII R 50/13, juris). Jedoch muss eine sog. Sprungklage (§ 45 FGO) binnen Monatsfrist nach der Bekanntgabe des anzufechtenden Verwaltungsaktes erhoben werden (§ 45 FGO Rz. 3). Entsprechendes gilt, wenn ein außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht vorgesehen ist (s. § 348 Nr. 3 und 4 AO). Bei Ablehnung der Vornahme eines Verwaltungsaktes beginnt hier die Monatsfrist im Zeitpunkt der Ablehnung; bei Untätigkeit der Finanzbehörde insbes. im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren gilt die Fristenregelung des § 46 FGO. Zur Einhaltung der Klagefrist bei Klageerweiterungen s. § 67 FGO Rz. 8. Für die Fristberechnung gelten nach § 54 Abs. 2 FGO die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und Abs. 3, 225, 226 ZPO (dazu z. B. BFH v. 28.07.2016, X B 205/15, BFH/NV 2016, 1742; Steinhauff in HHSp, § 47 FGO Rz. 92). Zur Bedeutung der Rechtsbehelfsbelehrung für den Lauf der Klagefrist s. § 55 FGO.

 

Tz. 2a

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Eine Anfechtungsklage, die vor Bekanntgabe des maßgeblichen Verwaltungsakts erhoben wird, ist – sofern kein Fall des § 46 FGO gegeben ist – und bleibt unzulässig (Levedag in Gräber, § 47 FGO Rz. 11), und zwar auch dann, wenn der Stpfl. von dem Inhalt des Verwaltungsakts bereits zuvor sichere Kenntnis erlangt hatte (z. B. BFH v. 01.07.2010, V B 108/09, BFH/NV 2010, 2014; Steinhauff in HHSp, § 47 FGO Rz. 118 f.; Brandis in Tipke/Kruse, § 47 FGO Rz. 4).

 

Tz. 3

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Die Klagefrist ist gewahrt, wenn die den Formerfordernissen entsprechende (§ 64 Abs. 1 FGO) Klageschrift, die die Mindestvoraussetzungen erfüllt (§§ 40 Abs. 2, 65 Abs. 1 FGO, aber auch § 65 Abs. 2 FGO), vor 24 Uhr des letzten Tags der Klagefrist in die tatsächliche Verfügungsgewalt des nach §§ 35, 38 FGO zuständigen FG (§ 64 FGO) oder einer der in den § 47 Abs. 2 und Abs. 3 FGO genannten Behörde gelangt. Im Hinblick auf den Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung von Verfahrensvorschriften kann die Klagefrist auch dann gewahrt sein, wenn ein Schriftsatz zwar nicht als Klageschrift bezeichnet wird oder der Klageantrag nicht technisch zutreffend formuliert wurde, aber als Klageerhebung auszulegen ist (BFH v. 20.05.2014, III B 82/13, BFH/NV 2014, 1505). Da der Bürger diese Frist buchstäblich bis zur letzten Minute ausnutzen darf, müssen die FG und die Finanzbehörden geeignete Vorkehrungen treffen, um dies zu ermöglichen. Insbesondere muss ein auffindbarer Nachtbriefkasten vorhanden sein (Brandis in Tipke/Kruse, § 47 FGO Rz. 7). Wer den fristgerechten Einwurf eines Schriftstücks in den Nachtbriefkasten des Gerichts behauptet, obwohl sich aus dem gerichtlichen Eingangsstempel, der den vollen Beweis für den Tag des Eingangs begründet, muss den Zeitpunkt des Einwurfs zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen. Die Feststellungslast für Unregelmäßigkeiten bei der Leerung des Nachtbriefkastens trägt der Kläger bzw. Rechtsmittelführer (BFH v. 08.07.2003, VIII B 3/03, BFH/NV 2003, 1441). Zur elektronischen Übermittlung der Klageschrift s. § 52a FGO.

 

Tz. 4

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Wird die Klagefrist versäumt, ist die Klage unzulässig und somit durch Prozessurteil abzuweisen. Denn es fehlt dann an einer Sachentscheidungsvoraussetzung (s. Rz. 1). Dies kommt nur dann nicht in Betracht, wenn die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unverschuldeter Versäumung (§ 56 FGO). S. dazu die Kommentierung zu s. § 56 FGO. Dies gilt auch für die Klageänderung (§ 67 FGO) und die Klageerweiterung (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO): Diese sind bei fristgebundenen Klagen (s. Rz. 1) nach Ablauf der Klagefrist unzulässig (z. B. Levedag in Gräber, § 47 FGO Rz. 28; von Beckerath in Gosch, § 47 FGO Rz. 127; Steinhauff in HHSp, § 47 FGO Rz. 123 f.).

 

Tz. 5

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Die...

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