Schrifttum
Loose, Die Vertretung im finanzgerichtlichen Verfahren, AO-StB 2008, 252;
Spindler, Die Neuregelung der Vertretungsmacht im finanzgerichtlichen Verfahren, DB 2008, 1283.
A. Selbstvertretungsrecht vor dem FG (§ 62 Abs. 1 FGO)
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gemäß § 62 Abs. 1 FGO können die Beteiligten (§ 57 FGO) vor dem Finanzgericht den Rechtsstreit selbst führen. Es besteht – anders als vor dem BFH (§ 62 Abs. 4 FGO) – vor dem FG grds. kein Vertretungszwang. Demnach besitzt jeder Beteiligte die Postulationsfähigkeit, d. h. die Fähigkeit, wirksame Prozesshandlungen vorzunehmen. Den Beteiligten steht es daher frei, sich im finanzgerichtlichen Verfahren durch Bevollmächtigte vertreten zu lassen und sich in der mündlichen Verhandlung eines Beistands zu bedienen, oder selbst vor dem FG aufzutreten. Die Postulationsfähigkeit stellt eine Sachentscheidungsvoraussetzung dar (s. Vor FGO Rz. 33).
B. Vertretung durch Bevollmächtigte (§ 62 Abs. 2 und Abs. 5 FGO)
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bevollmächtigte sind gewillkürte Vertreter des Verfahrensbeteiligten, die im Namen des Vertretenen handeln. Vom Bevollmächtigten vorgenommene Prozesshandlungen wirken unmittelbar für und gegen den vertretenen Beteiligten (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. § 85 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Daher muss sich der Vertretene ein etwaiges Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen, solange das Vertretungsverhältnis besteht (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO; BFH v. 01.12.2010, IV S 10/10 (PKH), BFH/NV 2011, 444). Der Bevollmächtigte muss prozessfähig (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 79, 90 Abs. 1 ZPO), also prozesshandlungsfähig i. S. von § 58 FGO sein (Loose in Tipke/Kruse, § 62 FGO Rz. 2; Stapperfend in Gräber, § 62 FGO Rz. 5; Brandt in Gosch, § 62 FGO Rz. 48). Dies setzt bei Bevollmächtigten, die keine natürlichen Personen sind, voraus, dass sie durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragte Bevollmächtigte handeln (§ 62 Abs. 2 Satz 3 FGO).
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Wer im Einzelnen als Bevollmächtigter im Finanzprozess auftreten darf ergibt sich abschließend aus § 62 Abs. 2 FGO, der durch § 62 Abs. 5 FGO ergänzt wird. Vertretungsberechtigt i. S. von § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO sind in erster Linie Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer. Dies gilt auch für niedergelassene europäische Rechtsanwälte, die in § 3 Nr. 1 StBerG ausdrücklich genannten sind (auch § 2 Abs. 1 EuRAG; Stapperfend in Gräber, § 62 FGO Rz. 22). Diese müssen jedoch in die für den Ort ihrer Niederlassung zuständige Rechtsanwaltskammer aufgenommen worden sein (BFH v. 21.07.2017, X B 92/17, BFH/NV 2017, 1463). Hiervon nicht erfasst sind Belastingsadviseure (BFH v. 10.06.2014, II R 53/13, BFH/NV 2014, 1557; BFH v. 14.03.2016, X B 101/14, BFH/NV 2016, 1046; s. Rz. 4). Ebenso wenig ausländische Rechtsanwalts-, Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfergesellschaften, die nicht nach der jeweiligen Berufsordnung als solche anerkannt und zugelassen wurden, und Advocates nach dem Recht Großbritanniens, die keine niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte i. S. der §§ 2, 3 EuRAG sind (BFH v. 18.01.2017, II R 33/16, BStBl II 2017, 663; BFH v. 08.08.2017, V B 12/17, BFH/NV 2017, 1464). Nach § 62 Abs. 4 Satz 1 2. Halbs. FGO sind überdies Rechtsanwalts-, Steuerberatungs-, Wirtschaftsprüfungs- und Buchführungsgesellschaften i. S. von § 3 Nr. 3 StBerG sowie Partnerschaftsgesellschaften i. S. von § 3 Nr. 2 StBerG, die durch natürliche Personen, welche nach § 3 Nr. 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt sind, vertreten werden. Dies gilt grds. auch für eine Rechtsanwalts-AG, (BFH v. 22.10.2003, I B 168/03, BFH/NV 2004, 224), jedenfalls dann, wenn sie die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen besitzt, weil sie nach deutschem Recht zugelassen ist und die Zulassung im Zeitpunkt der Vornahme der betreffenden Prozesshandlung vorliegt (BFH v. 21.07.2005, IV B 7, 8/04, juris). Ein Rechtsbeistand (§ 4 Abs. 1 2. RberV a. F.; vgl. nunmehr § 1 Abs. 2 Satz 1 RDGEG) ist nicht vertretungsberechtigt, selbst wenn er der zuständigen Rechtsanwaltskammer beitreten könnte (BFH v. 28.05.2003, IV B 60/02, IV B 72/03, BFH/NV 2003, 1427; bestätigt durch BVerfG v. 26.08.2003, 1 BvR 1668/03, StEd 2003, 762). Behörden als solche können nicht bevollmächtigt werden (gl. A. Loose in Tipke/Kruse, § 62 FGO Rz. 10; Stapperfend in Gräber, § 62 FGO Rz. 30), da es sich bei Behörden weder um natürliche noch juristische Personen, sondern um Organe einer Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt. Anderer Ansicht ist der BFH (z. B. BFH v. 10.03.1969, GrS 4/68, BStBl II 1969, 435) Die Praxis, die dem BFH folgte, indem mitunter Landesarbeitsämter in Kindergeldsachen durch die Arbeitsämter – Familienkassen – bevollmächtigt werden (hierzu BFH v. 25.08.1997, VI B 94/97, BStBl II 1998, 118; BFH v. 11.02.2002, VIII R 81/97 BFH/NV 2002, 939; Brandt in Gosch, § 62 FGO Rz. 45), kann sich nun auf § 62 Abs. 2 Nr. 1 2. Halbs. FGO stützen, wonach sie sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öf...