Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Klageschrift (§§ 65, 64 Abs. 2 FGO) dem Beklagten (§ 63 FGO) von Amts wegen zuzustellen. Die Zustellung erfolgt nach den Vorschriften der ZPO (§ 53 Abs. 2 FGO i. V. m. §§ 166ff. ZPO). Die Zustellung ist vom Vorsitzenden zu verfügen (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. § 209 ZPO), weil sie – ebenso wie die Aufforderung zur Äußerung und die Fristsetzung – zu den obliegenden prozessleitenden Anordnungen gehört (gl. A. Brandis in Tipke/Kruse, § 71 FGO Rz. 2; weitergehend Herbert in Gräber, § 71 FGO Rz. 3; Schallmoser in HHSp, § 71 FGO Rz. 12; Schoenfeld in Gosch, § 71 FGO Rz. 19: auch Berichterstatter; Nöcker, jurisPR-SteuerR 43/2013; vgl. auch § 85 Satz 1 VwGO).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 71 Abs. 1 FGO sieht vor, dass der Beklagte mit Zustellung der Klageschrift aufgefordert wird, sich zur Klage zu äußern. Die Verpflichtung des Beklagten, sich auf die Klage schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu äußern, ist ein Ausfluss der die Beteiligten treffenden Prozessförderungspflicht. Erzwungen werden kann die Äußerung nicht. Es treffen ihn allenfalls Kostennachteile (§ 137 FGO) und gegebenenfalls nachteilige Schlussfolgerungen im Bereiche der Tatsachenfeststellung (§ 76 FGO). Zur Stellungnahme kann (und wird normalerweise) eine Frist gesetzt werden (§ 71 Abs. 1 Satz 3 FGO). Diese muss zur Gewährung des rechtlichen Gehörs ausreichend lang bemessen sein. Die Frist kann verlängert werden.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Verpflichtung der beklagten Finanzbehörde zur Aktenübermittlung (§§ 52a, 52b FGO) ergibt sich aus § 71 Abs. 2 FGO. Hierzu gehört jedes Aktenstück, das für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage erheblich und für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung sein kann (BFH v. 16.01.2013, III S 38/11, BFH/NV 2013, 701). Die Aktenübermittlung betrifft demnach sämtliche in der Sache erwachsenen Akten einschließlich beigezogener Auskünfte und Gutachten sowie vorliegender Außenprüfungsberichte, ebenso die Prüferhandakte, wenn darin ein offensichtlich entscheidungsrelevantes Schriftstück enthalten ist (BFH v. 24.05.2012, IV B 58/11, BFH/NV 2012, 1466), nicht jedoch etwaige Aktenvorgänge der Strafsachenstelle (BFH v. 29.09.1967, III B 31/67, BStBl II 1968, 82). In aller Regel handelt es sich nur um diejenigen Akten der beklagten Finanzbehörde, welche die Vorgänge des dem finanzgerichtlichen Verfahren unmittelbar vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens einschließlich des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens beinhalten (BFH v. 03.06.2015, VII S 11/15, BFH/NV 2015, 1100). Soweit das FG es erforderlich hält, ist es berechtigt, weitere Behördenakten beizuziehen (BFH v. 03.06.2015, VII S 11/15, BFH/NV 2015, 1100). Zu den nach § 71 Abs. 2 FGO dem FG zu übermittelnden, "den Streitfall betreffenden" Akten gehören bei einer Klage auf Gewährung von Akteneinsicht grds. nicht die Akten oder Aktenteile, um deren Einsichtnahme gerade durch den Kläger in dem finanzgerichtlichen Verfahren gestritten wird (BFH v. 03.06.2015, VII S 11/15, BFH/NV 2015, 1100; BFH v. 19.12.2016, XI B 57/16, BFH/NV 2017, 599). Die Akten sind, soweit sie – wenn auch nur entfernt – zur tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilung des Klagebegehrens beizutragen vermögen, vollständig und unverändert zu übermitteln, ohne Rücksicht darauf, ob und inwieweit ihr Inhalt nach Auffassung des FA dienstlichen oder sonst vertraulichen Charakter trägt, soweit sie nicht nach § 86 Abs. 1 und Abs. 2 FGO berechtigt ist, die Vorlage zu verweigern. Wurden die vorgelegten Akten der Behörde dem äußeren Anschein nach ordnungsgemäß geführt, ist grds. davon auszugehen, dass sie vollständig sind (BFH v. 18.03.2008, V B 243/07, BFH/NV 2008, 1334). Das Fehlen einer durchlaufenden Paginierung der vorgelegten Akten ist nicht zu beanstanden, wenn sie durch andere nachvollziehbare Ordnungsprinzipien, wie das Einheften nach der zeitlichen Reihenfolge der Vorgänge, ersetzt wird (BFH v. 18.03.2008, V B 243/07, BFH/NV 2008, 1334). Für den Fall, dass sich das FA weigert, stehen dem Gericht keine Zwangsmittel zur Verfügung (BFH v. 13.12.1972, VII B 71/72, BStBl II 1973, 253); im Einzelnen s. § 86 FGO Rz. 5. Die Verpflichtung zur Übersendung der in der Sache angefallenen Akten trifft nicht die dem Verfahren gem. den §§ 61 und 122 Abs. 1 FGO beigetretenen Behörde. Für die Akteneinsicht gilt § 78 FGO.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Weil die beklagten Finanzbehörden gesetzlich verpflichtet sind, die Steuerakten nach Empfang der Klageschrift von Amts wegen an das FG zu übermitteln (§ 71 Abs. 2 FGO), wird der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt, wenn das FG nicht ausdrücklich mitteilt, dass die Finanzbehörde ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen ist und die Steuerakten übersandt hat (BFH v. 19.01.2011, X B 204/10, BFH/NV 2011, 819). Nach ständiger höchstrichterlicher Rspr. ist auf die Beiziehung von Akten vielmehr nur dann hinzuweisen, wen...