Schrifttum
Loschelder, Aufhebung, Verlegung und Vertagung von Gerichtsterminen, AO-StB 2004, 259.
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 93 Abs. 1 FGO ordnet an, dass der Vorsitzende (bzw. der Einzelrichter) den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten erörtert. Ein Verstoß hiergegen begründet eine Gehörsverletzung (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO), jedoch ist dieser Verfahrensfehler nach § 155 Satz 1 FGO i. V. m. § 295 ZPO verzichtbar (BFH v. 01.04.2008, X B 135/07, juris; BFH v. 15.02.2012, IV B 126/10, BFH/NV 2012, 774; auch BFH v. 01.04.2008, X B 101/07, ZSteu 2008, R700; BFH v. 19.08.2008, II B 1/07, juris). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs und die Verpflichtung des Vorsitzenden zur Erörterung der Streitsache mit den Beteiligten verpflichten den Vorsitzenden indessen nicht, bereits in der mündlichen Verhandlung das erst in der Beratung zu findende Ergebnis mitzuteilen (BFH v. 04.12.2008, XI B 186/07, juris). Auch das Unterlassen von abstrakten rechtlichen Erörterungen stellt keinen Verstoß gegen § 93 Abs. 1 FGO dar. Es genügt, wenn das FG seine auf der höchstrichterlichen Rspr. beruhende Rechtsansicht darlegt (BFH v. 25.04.2016, X B 134/15, BFH/NV 2016, 1286). Bei der Erörterung muss der Vorsitzende Richter so laut und deutlich sprechen, dass die Beteiligten seiner Verfahrensführung gut folgen können (BFH v. 25.04.2016, X B 134/15, BFH/NV 2016, 1286).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Vorsitzende muss nach § 93 Abs. 2 Satz 1 FGO jedem Mitglied, d. h. auch den ehrenamtlichen Richtern, auf Verlangen gestatten, Fragen zu stellen. Aus § 93 Abs. 2 Satz 2 FGO folgt, dass nicht sachdienliche Fragen beanstandet werden können, allerdings nur von den Beteiligten, nicht jedoch vom Vorsitzenden oder den Beisitzern (Herbert in Gräber, § 93 FGO Rz. 5; Brandis in Tipke/Kruse, § 93 FGO Rz. 5; Schallmoser in HHSp, § 93 FGO Rz. 32; Fu in Schwarz/Pahlke, § 93 FGO Rz. 33). Das Gericht entscheidet nach § 93 Abs. 2 Satz 2 FGO darüber, ob die Frage zu Recht beanstandet und demnach als nicht gestellt zu behandeln ist. Die Entscheidung ist als prozessleitende Verfügung i. S. von § 128 Abs. 2 FGO nicht gesondert anfechtbar.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach Erörterung der Streitsache schließt der Vorsitzende die mündliche Verhandlung (§ 93 Abs. 3 Satz 1 FGO). Der Schluss der mündlichen Verhandlung bewirkt, dass danach keine Prozesshandlungen mehr vorgenommen, neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. § 296a Satz 1 ZPO) und die Beteiligten keine Verfahrensrügen mehr geltend machen können (Brandis in Tipke/Kruse, § 93 FGO Rz. 6; Schallmoser in HHSp, § 93 FGO Rz. 39; Wendl in Gosch, § 93 FGO Rz. 65). Bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung ist der Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, die Absendung der Urteilsausfertigungen (BFH v. 16.06.2016, X B 110/15, BFH/NV 2016, 1481; s. § 90 FGO Rz. 4a). Zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 93 Abs. 3 Satz 2 FGO) s. Rz. 4.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung kann das Gericht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beschließen (§ 93 Abs. 3 Satz 2 FGO). Sie ist ebenso wie ihre Ablehnung eine prozessleitende Verfügung, die gem. § 128 Abs. 2 FGO nicht gesondert angefochten werden kann (BFH v. 26.09.2008, VIII B 23/08, juris; BFH v. 18.08.2009, VIII B 95/09, BFH/NV 2010, 217; BFH v. 17.09.2009, IV B 33/08, BFH/NV 2010, 219). Die Wiedereröffnung steht im Ermessen des Gerichts (z. B. BFH v. 30.05.2012, III B 239/11, BFH/NV 2012, 1470; BFH v. 31.05.2017, XI R 2/14, BStBl II 2017, 1024). Das Ermessen ist dann auf null reduziert, wenn durch die Ablehnung der Wiedereröffnung wesentliche Prozessgrundsätze verletzt würden, z. B. weil andernfalls der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt würde oder die Sachaufklärung nicht ausreicht (z. B. BFH v. 05.11.2014, IV R 30/11, BStBl II 2015, 601; BFH v. 31.05.2017, XI R 2/14, BStBl II 2017, 1024; vgl. auch BFH v. 23.03.2015, VII B 167/14, BFH/NV 2015, 999). Eine Wiedereröffnung kann z. B. geboten sein, wenn ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung mit Hinweisen oder Fragen des Gerichts überrascht wurde, zu denen er nicht sofort Stellung nehmen konnte, und das Gericht ihm keine Möglichkeit mehr zur Stellungnahme gegeben hat (BFH v. 07.07.2006, IV B 94/05, BFH/NV 2006, 2266; BFH v. 15.10.2008, X B 106/08, BFH/NV 2009, 40). Ob bei nachträglichem Eingang eines Schriftsatzes mit neuem tatsächlichem Vorbringen die mündliche Verhandlung wiedereröffnet werden muss, hängt davon ab, ob die vorgetragenen Tatsachen schon nach dem bisherigen Vorbringen den Vorwurf mangelnder Sachaufklärung rechtfertigen würden (BFH v. 29.11.1973, IV R 221/69, BStBl II 1974, 115). Zum Problem des nachgereichten Schriftsatzes im Zusammenhang mit der Verletzung des Rechts auf Gehör BFH v. 16.10.1970, VI B 24/70, BStBl II 1971, 25 einerseits sowie s. § 104 FGO Rz. 4).Das Gericht muss das Für und Wider eines noc...