(1) 1Der Arbeitnehmer ist - vorbehaltlich § 40 Abs. 3 EStG-Schuldner der Lohnsteuer (§ 38 Abs. 2 EStG); dies gilt auch für den Fall einer Nettolohnvereinbarung (Abschnitt 122). 2Für diese Schuld kann der Arbeitgeber als Haftender in Anspruch genommen werden, soweit seine Haftung reicht (§ 42 d Abs. 1 und 2 EStG). 3Dies gilt auch bei Lohnzahlung durch Dritte, soweit der Arbeitgeber zur Einbehaltung der Lohnsteuer verpflichtet ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG; vgl. auch Abschnitt 106 Abs. 5). 4Auch die Ansprüche gegenüber dem Haftenden unterliegen nach den Vorschriften der AO der Verjährung.
(2) 1Der Arbeitgeber hat den Arbeitslohn vorschriftsmäßig gekürzt, wenn er die Lohnsteuer entsprechend den Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte berechnet hat (BFH-Urteil vom 9. 6. 1965 - HFR S. 513) und wenn er der Berechnung der Lohnsteuer die für das maßgebende Jahr gültigen Lohnsteuertabellen zugrunde gelegt hat (BFH-Urteil vom 11. 6. 1970 - BStBI II S. 664). 2Die Lohnsteuer ist nicht vorschriftsmäßig einbehalten, wenn der Arbeitgeber im Lohnsteuer-Jahresausgleich eine zu hohe Lohnsteuer erstattet (BFH-Urteil vom 24. 1. 1975 - BStBl II S. 420). 3Wegen der Einschränkung der Haftung in den Fällen, in denen sich der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer über die Zugehörigkeit von Bezügen zum Arbeitslohn und damit auch über die Notwendigkeit der Eintragung der mit diesen Bezügen zusammenhängenden Werbungskosten irrten und irren konnten, vgl. BFH-Urteil vom 5. 11. 1971 (BStBl 1972 II S. 137).
(3) 1Die Haftung des Arbeitgebers ist von einem Verschulden grundsätzlich nicht abhängig. 2Desgleichen schließt eine Veranlagung des Arbeitnehmers zur Einkommensteuer die Inanspruchnahme des Arbeitgebers nicht aus, selbst wenn eine bestandskräftige Veranlagung des Arbeitnehmers nicht mehr berichtigt werden kann (BFH-Urteil vom 26. 7. 1974 -- BStBl II S. 756). 3Ein geringfügiges Verschulden oder ein schuldloses Verhalten des Arbeitgebers bzw. eine Veranlagung des Arbeitnehmers ist aber bei der Frage zu würdigen, ob eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers im Rahmen des Ermessens liegt (vgl. Absatz 7; zur Ermessensprüfung bei geringfügigem Verschulden vgl. BFH-Urteil vom 21. 1. 1972 - BStBl II S. 364).
(4) 1Die haftungsbefreiende Wirkung der Anzeige nach § 41 c Abs. 4 EStG setzt voraus, daß die nicht vorschriftsmäßige Einbehaltung der Lohnsteuer vom Arbeitgeber erkannt worden ist. 2Die Haftung wird deshalb nicht ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber erst auf Grund von Hinweisen oder Feststellungen im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung die fehlerhafte Behandlung anzeigt.
(5) 1Soweit Dritte für Steuerleistungen in Anspruch genommen werden können, z. B. gesetzliche Vertreter juristischer Personen, Vertreter, Bevollmächtigte, Vermögensverwalter, Rechtsnachfolger, haften sie als Gesamtschuldner neben dem Arbeitgeber als weiterem Haftenden und neben dem Arbeitnehmer als Steuerschuldner (§ 44 AO). 2Die Haftung kann sich z. B aus §§ 45, 69 bis 77, 153 AO oder § 419 BGB ergeben. 3Zur Frage der Pflichtverletzung bei der Abführung von Lohnsteuer vgl. BFH-Urteile vom 20. 4. 1982 (BStBl II S. 521) und vom 11. 12. 1990 (BStBl 199111 S. 282) betreffend die Haftung eines Geschäftsführers einer Personengesellschaft bzw. einer GmbH und zum Umfang der Haftung bei voller Auszahlung der Nettolöhne vgl. BFH-Urteil vom 26. 7. 1988 (BStBl II S. 859). 4Zu den Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Lohnsteuerhaftungsbescheiden bei der Haftung von Vertretern vgl. BFH-Urteil vom 8. 3. 1988 (BStBl II S. 480). 5Durch privatrechtliche Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag kann die Haftung der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden (vgl. BFH-Urteil vom 27. 3. 1990 - BStBl II S. 939).
(6) 1Soweit Arbeitgeber, Arbeitnehmer und gegebenenfalls andere Personen Gesamtschuldner sind, schuldet jeder die gesamte Leistung (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO). 2Das Finanzamt muß die Wahl, an welchen Gesamtschuldner es sich halten will, nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung der durch Recht und Billigkeit gezogenen Grenzen und unter verständiger Abwägung der Interessen aller Beteiligten treffen. 3Die Grundsätze von Recht und Billigkeit verlangen keine vorrangige Inanspruchnahme des Arbeitnehmers als des Steuerschuldners (BFH-Urteil vom 6. 5. 1959 - BStBl III S. 292). 4Der Arbeitnehmer kann sich als Steuerschuldner nicht darauf berufen, daß die haftungsweise Inanspruchnahme des Arbeitgebers wegen Nichtbeanstandung seines Vorgehens bei einer vorangegangenen Außenprüfung gegen Treu und Glauben verstoßen könnte (BFH-Urteil vom 27. 3. 1991 - BStBl II S. 720).
(7) 1Die Ermessensprüfung hat sich sowohl auf das Entschließungs- als auch auf das Auwahlermessen zu erstrecken. 2Wegen des Umfangs der erforderlichen Begründung vgl. insbesondere die BFH-Urteile vom 30. 4. 1987 - BStBl 1988 II S. 170, vom 29. 9. 1987 - BStBl 1988 II S. 176, vom 8. 11. 1988 - BStBl 1989 II S. 219 und vom 29. 5. 1990 - BStBl II S. 1008 sowie Absatz 8. 3Im ...