rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Anforderung der Einkommensteuererklärung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Entscheidung über die vorzeitige Anforderung einer Steuererklärung ist ebenso wie die Entscheidung über einen Fristverlängerungsantrag eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht nur daraufhin überprüft werden darf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
2. Von der vorzeitigen Anforderung kann besonders dann Gebrauch gemacht werden, wenn für Beteiligte an Gesellschaften und Gemeinschaften Verluste festzustellen sind, wenn hohe Abschlusszahlungen erwartet werden oder wenn die Arbeitslage der Finanzämter es erfordert.
3. Die vorzeitige Anforderung der Einkommensteuererklärung bereits auf einen Termin vor Ablauf der allgemeinen Abgabefrist kann nicht allein mit der floskelhaften Begründung gerechtfertigt werden, „dass in der Vergangenheit große Abschlusszahlungen angefallen sind und sich erneut eine Steuernachzahlung ergeben kann”. Die Anforderung ist insbesondere dann ermessensfehlerhaft, wenn sich nur im unmittelbar vorangehenden Veranlagungszeitraum tatsächlich eine – relativ geringe – Abschlusszahlung, davor jedoch regelmäßig Erstattungen ergeben haben.
Normenkette
AO §§ 5, 109 Abs. 1 S. 1, § 149 Abs. 2 S. 1; FGO § 102
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Bescheid über die vorzeitige Anforderung der Einkommensteuererklärung 2007 vom 5.2.2008, geändert durch Bescheid vom 20.5.2008 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.7.2008 rechtswidrig war.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer vorzeitigen Anforderung der Einkommensteuererklärung.
Der Kläger wendete sich ursprünglich gegen den Bescheid über die vorzeitige Anforderung der Einkommensteuererklärung 2007 vom 5.2.2008, geändert durch Bescheid vom 20.5.2008 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.7.2008. Nunmehr verlangt er im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides.
Der Kläger ist an einer gewerblichen Gesellschaft bürgerlichen Rechts beteiligt und wird beim Beklagten zur Einkommensteuer veranlagt. Mit Bescheid vom 5.2.2008 (Bl. 1 der Rechtsbehelfsakte) forderte der Beklagte den Kläger ohne Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung auf, „die Einkommensteuererklärung 2007 bis spätestens 30.05.2008 abzugeben”. Auf den Einspruch des Klägers vom 16.5.2008 hin änderte der Beklagte den Abgabetermin mit Schreiben vom 20.5.2008 (Bl. 4 der Rechtsbehelfsakte) auf den 10.6.2008 und wies den Einspruch im übrigen mit Einspruchsentscheidung vom 10.7.2008 (Bl. 26 der Rechtsbehelfsakte) zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheide und die Einspruchsentscheidung verwiesen. Am 25.7.2008 erließ der Beklagte unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen den Einkommensteuerbescheid 2007 und setzte gleichzeitig einen Verspätungszuschlag fest. Die Einspruchsverfahren ruhen im Hinblick auf dieses Klageverfahren.
Der Einkommensteuerbescheid 2006 vom 18.2.2008 (Bl. 8 der Rechtsbehelfsakte) hatte zu einer Nachzahlung von 3.077,– EUR geführt. Mit Vorauszahlungsbescheid über Einkommensteuer 2007 vom 21.5.2008 (Bl. 12 der Rechtsbehelfsakte) hat der Beklagte eine Einkommensteuervorauszahlung von insgesamt 17.450,– EUR festgesetzt.
Der Kläger hat mit seiner am 25.7.2008 erhobenen Klage ursprünglich sinngemäß beantragt, den Bescheid über die vorzeitige Anforderung der Einkommensteuererklärung 2007 vom 5.2.2008, geändert durch Bescheid vom 20.5.2008 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.7.2008 aufzuheben.
Mit Bescheid vom 9.12.2008 hat der Beklagte „die Einspruchsentscheidung vom 10.07.2008 über die vorzeitige Anforderung der Einkommensteuererklärung für 2007 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr 2 a Abgabenordnung aufgehoben”. Der Kläger hat ebenfalls am 9.12.2008 beim Beklagten die Einkommensteuererklärung 2008 abgegeben, auf die ein Änderungsbescheid des Beklagten zur Einkommensteuer 2007 vom 7.5.2009 folgte. Der Änderungsbescheid führte zu einem Guthaben des Klägers i.H.v. 8.176,45 EUR (bezüglich Einkommensteuer).
Der Kläger hat seinen Klageantrag auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt, da „akute Wiederholungsgefahr” bestehe. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlages sei davon abhängig, ob die hier angefochtene Vorabanforderung rechtmäßig gewesen sei.
Der Kläger trägt vor, die vom Beklagten vorgegebene Frist sei, auch im Hinblick auf die unterlassene Rechtsbehelfsbelehrung, weder angemessen noch ermessensfehlerfrei gewählt worden. Der ursprüngliche Verwaltungsakt sei schon deshalb wenigstens rechtswidrig, weil dadurch die gesetzliche Frist zur Abgabe der Erklärung unterschritten worden sei. Sie müsse als nichtig betrachtet werden, weil sie an einem evidenten und schwerwiegenden Mang...