Dr. Christoph Regierer, René Udwari
Rz. 128
Soweit einkommensteuerpflichtig, können Zuwendungen der Stiftung an die Destinatäre entweder Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG oder sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 1 Satz 2 HS 2 Buchst. a EStG darstellen. Eine Abgrenzung ist wegen unterschiedlicher Steuerfolgen zwingend erforderlich. Kapitaleinkünfte unterliegen der Abgeltungsteuer (§§ 32d Abs. 1, 43a EStG), wobei der Gläubiger der Kapitalerträge (die Stiftung) zum Einbehalt von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag verpflichtet ist (§ 44 Abs. 1 EStG). Sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG (Auffangtatbestand) sind i. R.d. Teileinkünfteverfahrens nur zu 60 % steuerpflichtig (§ 3 Satz 1 Nr. 40 Buchst. i EStG), eine Besteuerung an der Quelle findet nicht statt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG auf Zuwendungen der Stiftung an ihre Destinatäre grundsätzlich Anwendungen findet und die Stiftungszuwendungen tatbestandlich Gewinnausschüttungen einer Körperschaft an ihre Mitglieder "wirtschaftlich vergleichbar" sein können (vgl. BT Drs. 14/2683, 114). Mit dieser grundsätzlichen Entscheidung ist aber noch nicht für den Einzelfall zu bestimmen, welche Arten von Zuwendungen unter welchen Voraussetzungen mit Gewinnausschüttungen "wirtschaftlich vergleichbar" sind. Sicher ist eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit und damit die Besteuerung als Kapitaleinkünfte, wenn die Destinatäre wie Anteilseigner einer Körperschaft "unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung nehmen können". Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Destinatäre, wenn auch nur teilweise, im Vorstand oder in dem über die Ausschüttung beschließenden Gremium vertreten sind und wenn sie einen Rechtsanspruch auf Stiftungsleistungen haben (BFH vom 03.11.2010 – I R 98/09, BStBl II 2011, 417, 418). Die wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit Gewinnausschüttungen dürfte auch vorliegen, wenn nur eines der vorstehend genannten Merkmale festzustellen ist. Erfasst sind von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG allerdings nur Zuwendungen aus den laufenden Erträgen (BFH vom 28.02.2018 – VIII 30/15, BFHE 261, 47 Rn. 12 in Ablehnung der gegenteiligen Ansicht der FinVerw.).
Rz. 129
Ebenfalls nicht erfasst sind nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG Zuwendungen einer steuerbefreiten Stiftung. Zu beachten ist jedoch, dass auch eine gemeinnützige Stiftung mit ihrem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb steuerpflichtig ist. Teilweise wird in der Literatur daher erwogen, Stiftungsleistungen, die aus Erträgen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs herrühren, nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG zu besteuern. Das ist aber zutreffend unter Verweis auf die Gesetzessystematik (§ 22 Nr. 1 Satz 2 HS 2 Buchst. a EStG) zu verneinen (vgl. Roth in Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, beck-online-GROSSKOMMENTAR, BGB, § 80 Rn. 331).
Rz. 130
Kapitaleinkünfte sind vorrangig zu prüfen, denn sonstige Einkünfte i. S. v. § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG sind allen anderen Einkunftsarten gegenüber nachrangig. § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG kann daher nur einschlägig sein, wenn die Destinatäre in keiner Weise einen feststellbaren Einfluss auf das Zuwendungsverhalten der Stiftung haben.