Dr. Stefan Königer, Dennis Helwig
Rz. 1
Regelungen des Internationalen Erbschaftsteuerrechts dienen zum einen der Sicherstellung der Besteuerung von grenzüberschreitenden Sachverhalten, zum anderen der Vermeidung einer Doppelbesteuerung mit Nachlass-, Erbschaft- oder Schenkungsteuer im In- und Ausland. Die Regelungen des ErbStG werden hierbei durch Regelungen des AStG und der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen ergänzt. Nachfolgend sollen die wichtigsten Grundzüge des internationalen Erbschaftsteuerrechts zusammengefasst dargestellt werden.
Rz. 2
Die Regelungen des Erbschaftsteuerrechts stehen seit geraumer Zeit immer wieder im Fokus des EuGH. Zunächst hatte der EuGH in der Entscheidung "Barbier" (EuGH vom 11.12.2003, Rs. C-364/01, EuZW 2004, 74) über die Nichtgewährung des Schuldzinsenabzuges in den Niederlanden bei beschränkter Steuerpflicht zu entscheiden. In dieser Entscheidung wurde festgestellt, dass die europäische Kapitalverkehrsfreiheit auch für die Erbschaftsteuer uneingeschränkt Anwendung findet.
Rz. 3
In einer weiteren Entscheidung im Bereich der Erbschaftsteuer (EuGH vom 23.02.2006, Rs. C-513/03, van Hilten, ZEV 2006, 460) beschäftigte sich der EuGH erneut mit einem Fall aus den Niederlanden hinsichtlich der erweitert unbeschränkten Steuerpflicht, wobei der EuGH hier einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nicht annahm.
Rz. 4
Auch die deutschen Gerichte gehen immer mehr dazu über, erbschaftsteuerliche Sachverhalte dem EuGH zur Prüfung vorzulegen. So hatte der EuGH in der Rechtssache Jäger (EuGH vom 17.01.2008, Rs. C-256/06, EuZW 2008, 212) über die Frage der unterschiedlichen Bewertung von im In- und Ausland belegenen land- und forstwirtschaftlichem Vermögen zu entscheiden. Der EuGH hat hierbei festgestellt, dass Art. 73b Abs. 1 EGV (jetzt Art. 63 Abs. 1 AEUV) i. V. m. Art. 73d EGV (jetzt Art. 65 AEUV) dahin auszulegen ist, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die für die Berechnung der Steuer auf einen Nachlass, der aus in diesem Staat belegenen Vermögen und einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen land- und forstwirtschaftlichen Vermögensgegenstand besteht, vorsieht, dass der in diesem anderen Mitgliedstaat belegene Vermögensgegenstand mit seinem gemeinen Wert angesetzt wird. Währenddessen gilt für einen gleichartigen inländischen Vermögensgegenstand ein besonderes Bewertungsverfahren, dessen Ergebnisse durchschnittlich nur 10 % dieses gemeinen Werts erreichen und das die Anwendung eines gegenstandsbezogenen Freibetrags sowie die Berücksichtigung des verbliebenen Werts lediglich i. H. v. 60 % vorsieht.
Rz. 5
Weiterhin wurde vom EuGH entschieden, dass die sich ergebende Doppelbesteuerung spanischer Konten mit deutscher und spanischer Erbschaftsteuer ohne Möglichkeit der Anrechnung der spanischen Steuer europarechtskonform ist (s. Vorlagefrage des BFH vom 16.01.2008, Rs. C-67/08).
Rz. 6
Das FG Düsseldorf (4 K 2226/08 Erb; Rs. C-510/08, IStR 2010, 363) hatte dem EuGH am 14.11.2008 die Frage vorgelegt, ob die Art. 39 und 43 EGV sowie die Art. 56 EGV i. V. m. Art. 58 EGV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats über die Erhebung der Schenkungsteuer entgegenstehen, die bei dem Erwerb eines im Inland belegenen Grundstücks von einer gebietsfremden Person für den gebietsfremden Erwerber nur einen Freibetrag von 1.100 EUR vorsieht, während bei der Zuwendung desselben Grundstücks ein Freibetrag von 205.000 EUR gewährt würde, wenn der Schenker oder der Erwerber zur Zeit der Ausführung der Schenkung seinen Wohnsitz in dem betreffenden Mitgliedstaat hätte. Mit Entscheidung vom 22.04.2010 hat der EuGH (C-510/08, Rs. Mattner, DStR 2010, 861) die Frage dahingehend beantwortet, dass eine Regelung, die verminderte Freibeträge für Schenkungen zwischen Gebietsfremden vorsieht, den europarechtlichen Regelungen widerspricht. Aufgrund der Neuregelung durch das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BeitrRLUmsG vom 07.12.2011 BGBl I 2011, 2592; dazu Ländererlasse vom 15.03.2012, BStBl I 2012, 328), welches auf die Entscheidung des EuGH vom 22.04.2010 (C-510/08 Rs. Mattner, DStR 2010, 861) zurückgeht, wird dem Erwerber eines an sich nur beschränkt steuerpflichtigen Vermögensanfalls die Option zur unbeschränkten Steuerpflicht eingeräumt, wenn Erblasser, Schenker oder Erwerber zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) ihren Wohnsitz im EU- oder EWR-Raum hatten. Dies hat zur Folge, dass die jeweils anwendbaren höheren Freibeträge des § 16 Abs. 1 ErbStG geltend gemacht werden können. Der Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht muss allerdings vom Erwerber und nicht vom Zuwendenden gestellt werden. Bis zur materiell rechtlichen Bestandskraft der Steuerfestsetzung kann der Antrag widerrufen werden (Erlasse vom 15.03.2012, BStBl I 2012, 328). Nach Maßgabe des § 14 sind bei einem Antrag des Erwerbers auf unbeschränkte Steuerpflicht alle Vermögensanfälle von derselben Person, welche innerhalb von zehn Jahren vor und innerhalb von zehn Jahren nach dem von der Vorschrift erfassten Ve...