Dr. Stefan Königer, Dennis Helwig
Rz. 45
In Fällen mit Auslandsberührung können immer wieder Konstellationen auftreten, in denen es zu einer doppelten oder sogar mehrfachen Besteuerung desselben Erwerbsvorganges kommt.
Beispiel:
Ein deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt im Inland verstirbt. Neben anderen Vermögensgegenständen hinterlässt er eine Immobilie in Frankreich.
Lösung:
Dieser Vorgang wird in Deutschland i. R. d. unbeschränkten Steuerpflicht und in Frankreich i. R. d. beschränkten Steuerpflicht besteuert. Erfolgt kein Ausgleich, zahlt der Erbe in beiden Staaten Erbschaftsteuer auf denselben Übertragungsvorgang.
Rz. 46
Grund für eine mögliche Doppelbesteuerung ist, dass die meisten Staaten ein umfassendes Besteuerungsrecht i. R. d. unbeschränkten Steuerpflicht für sich beanspruchen, andererseits aber Staaten, in denen Vermögen belegen ist, ebenfalls ein Besteuerungsrecht i. R. d. beschränkten Steuerpflicht annehmen. Ist dann noch der Begriff des Inlandsvermögens in beiden Staaten unterschiedlich, kommt es zu einer Doppelbesteuerung, die durch die nationalen Vorschriften i. d. R. nicht gelöst werden kann.
Beispiel:
Ein deutscher Erblasser mit Wohnsitz in Deutschland hinterlässt ein Konto in Spanien.
Lösung:
Deutschland besteuert im Rahmen der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht den Weltnachlass, Spanien im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht den Übergang des Kontos. Eine Anrechnung in Deutschland erfolgt nicht, da das Konto im umgekehrten Fall nicht zum Inlandsvermögen gem. § 121 BewG gerechnet würde. Es kommt zu einer echten Doppelbesteuerung. Die Frage, ob eine solche echte Doppelbesteuerung unter europarechtlichen Gesichtspunkten zulässig ist, hat der EuGH (Rs. C-67/08, IStR 2009, 175) inzwischen sogar bejaht.
Rz. 47
Eine andere Konstellation, in der sich eine Doppelbesteuerung ergibt, ist, dass aus deutscher Sicht ein Vorgang als für die Erbschaftsteuer relevant qualifiziert wird, während der ausländische Staat ihn der Ertragsbesteuerung unterwirft.
Beispiel:
Ein deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz im Inland verschenkt Grundvermögen in Kanada.
Lösung:
Während Deutschland den Vorgang der Schenkungsteuer unterwirft, besteuert Kanada denselben Vorgang im Rahmen der Einkommensteuer als fiktive Veräußerung in Form der Capital gains tax.
Rz. 48
Eine Vermeidung der Doppelbesteuerung kann durch nationale Vorschriften, in Deutschland § 21 ErbStG, oder durch Doppelbesteuerungsabkommen, d. h. bilaterale Abkommen, erfolgen. Ein Doppelbesteuerungsabkommen geht der Vermeidung der Doppelbesteuerung auf Basis der nationalen Vorschriften vor.
4.1 § 21 ErbStG
Rz. 49
Das deutsche Erbschaftsteuerrecht sieht in § 21 ErbStG grundsätzlich für die Anrechnungsmethode vor, d. h. die ausländische Steuer wird auf die deutsche Steuer angerechnet. Im Ergebnis führt die Anrechnungsmethode zur Anwendung des höheren Steuerniveaus. Übersteigt die ausländische Steuer die inländische Steuer führt dies zu nicht ausgleichsfähigen Anrechnungsüberhängen.
Rz. 50
Eine Anrechnung gem. § 21 ErbStG kommt nur in Betracht, wenn der Vorgang in Deutschland der unbeschränkten Erbschaft-/Schenkungsteuerpflicht unterliegt. § 21 ErbStG greift nicht für Fälle der beschränkten Steuerpflicht im Inland.
Rz. 51
Voraussetzung für die Anrechnung der ausländischen Steuer ist weiterhin das Vorliegen von Auslandsvermögen. § 21 ErbStG enthält zwei Definitionen des Auslandsvermögens, je nachdem, ob der Erblasser bzw. Schenker seinen Wohnsitz im Zeitpunkt der Zuwendung im Inland hatte.
Rz. 52
War der Erblasser Steuerinländer gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, gilt § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG, der nur eine geringere Anrechnungsmöglichkeit eröffnet, da er den Inlandsbegriff des § 121 BewG gleichsam gespiegelt verwendet.
Beispiel:
Ein deutscher Erblasser mit Wohnsitz in Deutschland hinterlässt ein Konto in Spanien.
Lösung:
Das Konto zählt nicht zum Auslandsvermögen mit der Folge, dass die spanische Steuer nicht angerechnet werden kann.
Rz. 53
War der Erblasser bzw. Schenker dagegen kein Inländer gilt der weitere Auslandsvermögensbegriff des § 21 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG, der auch Vermögensgegenstände umfasst, die im Inland belegen sind, aber nicht Teil der Aufzählung des § 121 BewG sind.
Beispiel:
Der Erblasser hat seinen Wohnsitz in Italien, der Erbe in Deutschland. Zum Nachlass gehört ein Aktiendepot in Italien.
Lösung:
Die in Italien auf das Aktiendepot erhobene Steuer kann in Deutschland angerechnet werden.
Rz. 54
Weiterhin ist erforderlich, dass der Vorgang tatsächlich ausländischer und deutscher Erbschaft-/Schenkungsteuer unterliegt. Unterliegt ein Vorgang im Ausland nur teilweise der Besteuerung, kommt auch nur eine teilweise Anrechnung in Betracht. Hierbei ist zu beachten, dass darauf abzustellen ist, dass der Erwerber mit seinem Anteil am Nachlass durch die Steuer tatsächlich belastet wird, nicht wer Steuerschuldner ist. Anderenfalls ergäben sich gerade bei Erbfällen mit Berührung zum anglo-amerikanischen Rechtskreis Probleme, da Schuldner der Nachlasssteuer nicht der Erbe ist, sondern – je nach Ausgestaltung – ...