Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Berücksichtigung einer mehr als drei Jahre nach dem Erbfall erfolgten freien Teilerbauseinandersetzung bei der Zurechnung von Nachlassgegenständen und der Freibeträge des § 13a ErbStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 11 ErbStG ist für die Wertermittlung der Bereicherung der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer, somit gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Todeszeitpunkt des Erblassers maßgebend; das gilt sowohl für die Zurechnung der Gegenstände als auch für deren Wert.
2. Eine mehr als drei Jahre nach dem Erbfall erfolgte freie Teilerbauseinandersetzung, bei der eine Miterbin vollständig das Betriebsvermögen und ein Miterbe eine Immobilie übernimmt, bleibt bei der erbschaftsteuerrechtlichen Zurechnung von Nachlassgegenständen und der Inanspruchnahme von Freibeträgen des § 13a ErbStG 2009 unberücksichtigt, wenn bis zur Teilerbauseinandersetzung nicht die Miterbin, sondern die Erbengemeinschaft das Unternehmen tatsächlich geführt sowie die Unternehmensfortführung tatsächlich gewährleistet hat und wenn die – das Betriebsvermögen übernehmende – Miterbin kein Interesse an einer Unternehmensfortführung hatte, was aus dem Verkauf des Betriebsvermögens bereits kurz nach der Teilerbauseinandersetzung ersichtlich wird (im Streitfall: hälftige Verteilung des Erbes und des Verschonungsabschlags nach § 13a Abs. 1 ErbStG 2009 sowie des Abzugsbetrags nach § 13a Abs. 2 ErbStG 2009 auf die beiden Miterben; Ausführungen zu Sinn und Zweck der Steuerbefreiungen nach §§ 13, 13a ErbStG).
Normenkette
ErbStG 2009 § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1, § 11 Abs. 1, § 13a Abs. 1-2, 3 Sätze 1-2, § 13b Abs. 3 S. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Der Antrag auf Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird abgelehnt.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine mehr als 3 Jahre nach dem Erbfall erfolgte freie Teilerbauseinandersetzung bei der Zurechnung von Nachlassgegenständen und der Freibeträge des § 13a Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) unberücksichtigt bleiben darf.
I. Die Klägerin ist die Erbengemeinschaft nach der am xx. April 2015 verstorbenen Frau E L. Letztere war die Alleinerbin ihres am xx. März 2015 verstorbenen Vaters D F, der neben E L hälftiger Miterbe seiner am xx. Januar 2009 verstorbenen Ehefrau G F geworden war.
Zum Nachlass von Frau G F gehörten unter anderem ein an einen Dritten zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachtetes Hofgut in X sowie ein Grundstück in der Y Straße x in Z. Die Grundbesitzwerte für das Grundvermögen wurden von den zuständigen Finanzämtern jeweils auf den Stichtag xx. Januar 2009 festgestellt, für das Grundstück Y Straße x in Z auf 570.000 EUR. Obgleich die Feststellung des Grundbesitzwertes für das Hofgut in X zu diesem Zeitpunkt noch fehlte, setzte der Beklagte mit Bescheiden vom 30. August 2011 Erbschaftssteuer fest: Für D F in Höhe von 59.835 EUR und für E L in Höhe von 67.755 EUR. Vom Ansatz eines geschätzten Grundbesitzwertes für das Hofgut sah der Beklagte zunächst ab.
Gegen die genannten Erbschaftsteuerbescheide legten D F und E L Einsprüche ein. Während der Einspruchsverfahren wurde der Grundbesitzwert für das Hofgut in X mit Bescheid vom 4. Oktober 2011 auf den xx. Januar 2009 mit 732.094 EUR festgestellt. Gegen den Feststellungsbescheid legten die Erben ebenfalls Einspruch ein.
Am 11. Mai 2012 schlossen D F und E L einen Teilerbauseinandersetzungsvertrag, auf den Bezug genommen wird (Bl. 2 bis 4 der Schenkungsteuerakten Az. 7 K 3078/18). Danach gingen das Grundstück Y Straße x, Z in das Alleineigentum des D F und das Hofgut in X in das Alleineigentum der E L über. Die vom Beklagten in der Teilerbauseinandersetzung gefundene gemischte Schenkung ist Gegenstand des Rechtsstreits Az, 7 K 3078/18.
Am 5. Juni 2012 veräußerte Frau E L das Hofgut in X an einen fremden Dritten für 3.140.000 EUR. Das Finanzamt S nahm dies zum Anlass, der Bewertung des Hofguts auf den Stichtag xx. Januar 2009 nunmehr den Liquidationswert zugrunde zu legen und mit Bescheid vom 19. Juli 2017 den Grundbesitzwert auf 2.042.689 EUR festzustellen.
Da sich im Laufe der Einspruchsverfahren die Feststellungen der Grundbesitzwerte mehrfach änderten, änderte der Beklagte auch die gegen D F und E L ergangenen Erbschaftsteuerbescheide. Die letzte Änderung erfolgte, nachdem Frau E L das Hofgut veräußert hatte und deshalb der Feststellung des Grundbesitzwertes für das Hofgut der Liquidationswert zugrunde gelegt worden war. Die Erbschaftsteuerbescheide vom 30. Juli 2018 ergingen an die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der inzwischen verstorbenen Steuerpflichtigen D F und E L. Die Erbschaftsteuer für D F wurde auf 194.579 EUR, für E L auf 168.302 EUR festgesetzt. In den Erbschaftsteuerbescheiden wurden den Erben D F und E L jeweils die Hälfte der Grundbesitzwerte für das Hofgut und das Grundstück in Z zugerechnet, ebenso jeweils die Hälfte des Verschonungsabschlags nach § 13a Abs. 1 ErbStG und des Abzugsbetrags nach § 13a Abs. ...