Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Erlass der in Jahresraten zu bezahlenden, auf eine nicht steuerpflichtige Witwenrente entfallenden Erbschaftsteuer
Leitsatz (redaktionell)
Wurde für eine Witwenrente anstelle der Erbschaftsbesteuerung des Kapitalwerts die jährliche Besteuerung des Jahreswerts gewählt, so ist auch dann kein Erlass der Jahressteuerbeträge infolge sachlicher Unbilligkeit möglich, wenn sich später aufgrund einer Änderung der BFH-Rechtsprechung herausstellt, dass die Witwenrente nicht steuerpflichtig war, und die Summe der zwischenzeitlich gezahlten Jahressteuern die bei einer sofortigen vollen Besteuerung des Kapitalwerts fällige Erbschaftsteuer bereits erheblich übersteigt.
Normenkette
AO 1977 § 227; ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 23 Abs. 1
Gründe
I.
Streitig ist, ob die nach § 23 Abs. 1 ErbStG in Jahresraten zu bezahlende Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen zu erlassen ist, wenn sich aus zwischenzeitlich ergangener Rechtsprechung ergibt, daß insoweit keine Steuer festzusetzen gewesen wäre.
Der am 10.7.1968 verstorbene Herr X wurde von der Klägerin (Klin) beerbt. Zum Nachlaß gehörten Hinterbliebenenbezüge. Auf Antrag der Klin wurde gemäß § 23 Abs. 1 ErbStG die auf die Hinterbliebenenbezüge entfallende Erbschaftsteuer nicht in einem Einmalbetrag aus dem Kapitalwert, sondern im Wege der Jahressteuer aus dem Jahreswert entrichtet. Die ab 10.7.1970 zu zahlende Jahressteuer betrug 3.680 DM.
Mit Schreiben vom 10.4.1995 beantragte die Klin, die weiteren Raten nach § 227 AO aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Sie verwies darauf, daß sie inzwischen Jahressteuern in Höhe von insgesamt 92.000 DM bezahlt habe, während bei einer Einmalzahlung im Jahre 1970 nur 14.856 DM angefallen wären. Mit Urteil vom 20.5.1981 II R 11/81, BStBl II 1981, 715 habe der BFH entschieden, daß die besteuerte Witwenrente nicht der Erbschaftsteuer unterliege. Die weitere Einziehung der Jahressteuer sei unbillig, weil diese dem Gebot der Gleichheit und des Vertrauensschutzes widerspreche.
Der Beklagte (Finanzamt = FA) lehnte den Erlaß mit Schreiben vom 18.4.1995 (Bl. 83 FA-Akte) ab, weil weder sachliche noch persönliche Unbilligkeitsgründe vorlägen.
Mit ihrer als Einspruch zu behandelnden Beschwerde wiederholte die Klin die bisher vorgetragenen Gründe. Mit Einspruchsentscheidung vom 18.6.1996 (Bl. 100 FA-Akte), auf die vorab Bezug genommen wird, wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück, nachdem es vorher mit Schreiben vom 10.7.1995 (Bl. 88 FA-Akte) und vom 24.5.1996 (Bl. 96 FA-Akte) ausführlich zur Frage der Unbilligkeit Stellung genommen hatte. Das FA verwies darauf, daß die lange Dauer der Jahressteuer nicht den Wertungen des Gesetzgebers zuwider laufe. Auch eine Änderung der Rechtsprechung könne einen Erlaß nicht rechtfertigen.
Mit ihrer Klage beantragt die Klin sinngemäß, das FA unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu verpflichten, die Jahressteuerraten ab 1995 aus Billigkeitsgründen zu erlassen.
Zur Begründung wiederholt sie im wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Antragsverfahren. Sie ist der Auffassung, daß die Erlaßablehnung ermessensfehlerhaft sei.
Das FA beantragt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung, die Klage abzuweisen.
Am 25.10.1999 hat vor dem Senat mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
II.
Die Klage ist nicht begründet.
Nach § 227 Abs. 1 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Unbilligkeit kann sich entweder aus sachlichen oder aus persönlichen (wirtschaftlichen) Gründen ergeben.
Die Entscheidung über einen Erlaßantrag stellt eine Ermessensentscheidung dar, die der finanzgerichtlichen Nachprüfung nach § 102 FGO nur insoweit unterliegt, ob die Finanzbehörden von dem ihnen eingeräumten Ermessen bestimmungsgemäßen Gebrauch gemacht haben, ob also deren Entscheidung nicht auf einer Ermessensüberschreitung oder einem Ermessensfehlgebrauch beruht.
Ein derartiger Verstoß ist in der Streitsache nicht erkennbar.
Sachliche Gründe, die nunmehr einen Erlaß der bestandskräftig festgesetzten Jahressteuerbeträge rechtfertigen könnten, liegen in der Streitsache nicht vor. Das FA hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Richtigkeit einer unanfechtbar gewordenen Steuerfestsetzung grundsätzlich nicht mehr im Erlaßverfahren nachgeprüft und ggf. korrigiert werden kann, da das Erlaßverfahren nicht als Ersatz oder zur Nachholung des Rechtsbehelfsverfahrens dient (vgl. Kühn-Kutter-Hofmann, Kommentar zur AO und FGO, 14. Aufl. Bem. 4 a zu § 227 AO mit weiteren Hinweisen). Gründe, die es entgegen diesem Grundsatz ausnahmsweise dennoch rechtfertigen könnten, ungeachtet der Bestandskraft die Steuerfestsetzungen im Erlaßwege zu korrigieren, liegen in der Streitsache nicht vor. Insbesondere kann es die nach der Steuerfestsetzung ergangene BFH-Rechtsprechung zur Besteuerung von Hinterbliebenenbezüge...