Entscheidungsstichwort (Thema)
Begrenzung der Nießbrauchslast im Rahmen der Ermittlung der Teilentgeltlichkeit einer gemischt-freigebigen Zuwendung
Leitsatz (redaktionell)
- Der Umfang der Bereicherung bestimmt sich bei einer gemischten Schenkung nach dem Verhältnis zwischen Verkehrswert der Bereicherung und der Leistung bei der Ausführung der Zuwendung. Eine dabei auftretende deutliche Diskrepanz zwischen Leistung und Gegenleistung begründet die widerlegbare Vermutung, dass die Zuwendung im Umfang der Bereicherung unentgeltlich war und dem Zuwendenden der Wertunterschied bekannt und bewusst gewesen ist.
- Eine deutliche Diskrepanz liegt regelmäßig vor, wenn der Wertunterschied 20-25 % beträgt.
- Die Ausführung einer freigebigen Zuwendung eines Grundstücks erfolgt erst mit dem Tod des Schenkers ausgeführt, wenn der Eintritt der Rechtsänderung ins Grundbuch nicht jederzeit, sondern erst gegen Vorlage der Sterbeurkunde herbeigeführt werden kann.
- Bei Übertragung eines Grundstücks im Wege der gemischt freigebigen Zuwendung unter dem Vorbehalt des auf die Lebenszeit des Zuwendenden beschränkten Nießbrauchs bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Schenkungssteuerbescheides, wenn bei der Ermittlung des freigebigen Teils der Zuwendung die Nießbrauchslast nach § 14 Abs. 2 BewG begrenzt wird.
Normenkette
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 11; BewG § 14 Abs. 2
Streitjahr(e)
2016
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten im Hauptsacheverfahren ist das Vorliegen einer schenkungsteuerpflichtigen Zuwendung gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der zum Besteuerungszeitpunkt geltenden Fassung (ErbStG).
Der Antragsteller ist X. Am 6. März 2006 schloss er mit A (Zuwendende), die verstorben ist, einen notariellen Vertrag über die Übertragung des Grundstücks B (Urkundenrolle-Nr.). Unter § 2 Kaufpreis heißt es: „Der Kaufpreis beträgt 200.000,-- €. Der Kaufpreis wird wie folgt belegt:
1. [Der Antragsteller] stellt [die Zuwendende] von allen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Firma C [im Folgenden D] bis zu dem Betrag von 29.000,-- € frei.
2. [Der Antragsteller] verzichtet gegenüber [der Zuwendenden] auf sämtliche Kostenerstattungsansprüche aus den bisher für [die Zuwendende] geführten Mandaten i.H.v. 5.000,-- €.
3. [Der Antragsteller] übernimmt auf die gesamte Lebenszeit [der Zuwendenden] unentgeltlich deren Beratung in geschäftlichen und rechtlichen Angelegenheiten einschließlich Testamentsvollstreckung im Wert von geschätzten 10.000,-- €.
4. [Der Antragsteller] zahlt an [die Zuwendende] einen Betrag i.H.v. 35.000 € fällig am 30. Juni 2006.
5. [Die Zuwendende] bleibt bis zu ihrem Ableben Eigentümerin. (…) Wirtschaftlich wird der Zeitraum von Abschluss dieses Vertrages bis zum Ableben [der Zuwendenden] entsprechend einem Nießbrauchsrecht bewertet. Die Beteiligten geben den Wert dieser Regelung mit 121.000 € an.”
Unter § 7 Auflassung heißt es: „Die Beurkundung der Auflassung erfolgt nach dem Ableben der Verkäuferin.”
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Kopie des Vertrages (Bl. 13 ff. der Schenkungsteuerakte) verwiesen.
Am 29. Oktober 2015 schlossen die Vertragsparteien einen weiteren notariellen Vertrag (Urkundenrolle-Nr). Darin nahmen sie auf den am 6. März 2006 abgeschlossenen notariellen Vertrag Bezug und erklärten abweichend von der dort vereinbarten Regelung die Auflassung wie folgt: „Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass abweichend von den Regelungen im Kaufvertrag vom 06.03.2006, Urkunde, das Eigentum an dem [Grundstück] von [der Zuwendenden] auf [den Antragsteller] übergehen soll und bewilligen und beantragen bereits jetzt die Eigentumsumschreibung im Grundbuch.” Weiter heißt es unter Nr. 4 des Vertrages: „Die Vertragsparteien haben in dem genannten Kaufvertrag eine Regelung getroffen, die der einer Nießbrauchsrechtsbestellung sehr nahe kommt, so jedoch ausdrücklich nicht bezeichnet wurde. Abweichend davon vereinbaren die Vertragsparteien nunmehr das nahestehende Nießbrauchsrecht zu Gunsten [der Zuwendenden].” Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Kopie des Vertrages (Bl. 1 ff. der Schenkungsteuerakte) verwiesen. Für die Grundstücksübertragung wurden laut vorliegender Belege vom Notar 1.078,34 € und von der Gerichtskasse 246,-- € in Rechnung gestellt.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers vertrat der Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, dass die Übertragung des Grundstücks eine gemischt freigebige Zuwendung an den Antragsteller zum 29. Oktober 2015 darstelle.
Mit Bescheid vom 3. November 2016 setzte es Schenkungsteuer in Höhe von 37.680,-- € fest. Der Wertansatz des Grundstücks erfolgte dabei mit dem durch Bescheid des Finanzamtes vom 12. Mai 2016 gesondert festgestellten Wert auf den 29. Oktober 2015 in Höhe von 200.000,-- €; der Wert der übernommenen Gegenleistungen wurde mit 45.000,--€ und der Wert des Nießbrauchsrechts als Duldungsauflage in Höhe von 8.000,-- € angesetzt. In den Erläuterun...