Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Rz. 1
Nach § 177 i. V. m. § 9 BewG ist bei der Bewertung der wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens und der Betriebsgrundstücke i. S. d. § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG der gemeine Wert zugrunde zu legen (s. a. § 157 Abs. 3 Satz 1 BewG). Der Gesetzgeber hat das Ziel, diesen gemeinen Wert zu erreichen. Dafür gibt er verschiedene Verfahren vor (so z. B. bei unbebauten Grundstücken die Formel nach § 179 BewG und bei bebauten Grundstücken das Ertragswertverfahren nach §§ 184 bis 188 BewG). Tatsächlich wird durch diese Verfahren der tatsächliche gemeine Wert eines zu bewertenden Grundstücks nicht erreicht. Der Grund ist darin zu sehen, dass die gesetzlich vorgegebenen Verfahren in hohem Maße pauschalisieren und typisieren, sodass sie oft lediglich zu einem realitätsgerechten und praktikablen Annäherungswert führen. Da es sich aufgrund der Pauschalierungen und Typisierungen nicht vermeiden lässt, dass die ermittelten Grundbesitzwerte in besonders gelagerten Fällen über den tatsächlichen Verkehrswert eines Grundstücks hinausgehen, besteht durch die Öffnungsklausel (auch Escapeklausel genannt), die Möglichkeit nachzuweisen, dass der (tatsächliche) gemeine Wert des Grundstücks niedriger ist.
Rz. 2
Die Öffnungsklausel hat in der Praxis erheblich an Bedeutung gewonnen. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass die Pauschalierungen und Typisierungen i. R.d. Grundbesitzbewertung insb. im ländlichen und kleinstädtischen Bereich häufig zu Überbewertungen führen können, insb. wenn der örtliche Gutachterausschuss mangels ausreichender Verkaufsfälle keine vorrangig zu berücksichtigenden Bewertungsgrundlagen zur Verfügung stellen kann. Zum anderen können jedoch auch bestehende Belastungen, Baumängel, Bauschäden sowie aufgestaute Modernisierungs- oder Reparaturarbeiten den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts sinnvoll erscheinen lassen (s. Krause, NWB 2013, 1678).
Rz. 3
Nach Maßgabe des § 198 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 2 BewG sind dabei alle zum Bewertungsstichtag bestehenden wertbeeinflussenden Umstände zu berücksichtigen. Hierzu gehören die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt und der Zustand des zu bewertenden bauten Grundstücks. Der Grundstückszustand bestimmt sich nach der Gesamtheit der wertbeeinflussenden rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten, insb.:
- Rechte und Belastungen privatrechtlicher (bspw. Grunddienstbarkeiten und persönliche Nutzungsrechte) und öffentlich-rechtlicher Art, die sich z. B. aus dem Denkmal-, Landschafts- und Gewässerschutzrecht ergeben können,
- tatsächliche Eigenschaften (z. B. Emissionen, Immissionen),
- sonstige Beschaffenheiten (z. B. Altlasten) und
- die Lage des Grundstücks.
Nur ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse finden keine Berücksichtigung (§ 9 Abs. 2 Satz 3 BewG).
Rz. 4
vorläufig frei