Rz. 1
Mit Beschluss vom 07.11.2006 hatte das BVerfG das alte Erbschaftsteuerrecht für verfassungswidrig erklärt (BVerfG vom 07.11.2006, ZEV 2007, 76), da u. a. die Bewertung und der Ansatz des Grundvermögens für die Besteuerung nicht den Anforderungen des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG genügte. Der Gesetzgeber war gehalten, spätestens bis zum 31.12.2008 neues Recht zu schaffen. Die Politik hat auf den Beschluss mit der Beendigung der Überlegungen zur isolierten Regelung zur Vereinfachung von Unternehmensnachfolgen (s. BR-Drs. 778/06 Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge vom 03.11.2006; s. Crezelius, DStR 2007, 2277; s. Seer, ZEV 2007, 101 ff.) und dem Formulieren von gemeinsamen Zielen der Volksparteien für ein neues ErbStG reagiert. Dieses durch eine Bund-Länderarbeitsgruppe erarbeitete Grundsatzpapier (sog. Koch-Steinbrück-Papier) formulierte die Eckpunkte für eine Reform des Erbschaftsteuerrechtes, die in den Gesetzentwurf vom 28.01.2008 (BT-Drs. 16/7918) mündete. Im Koch-Steinbrück-Papier war zum Grundvermögen lediglich ein Verweis auf ein sog. Eckpunktepapier auf Basis eines Finanzministerkonferenzbeschlusses vom 21.06.2007 zur Bewertung der Vermögensarten enthalten sowie der Hinweis, dass es für vermietete Wohnimmobilien einen Abschlag i. H. v. 10 % von der Bemessungsgrundlage geben solle. Das sog. Eckpunktepapier sah zum Grundvermögen Folgendes vor:
- Bewertungsmaßstab gemeiner Wert,
- Abgrenzung der Vermögensart nach §§ 68, 69 BewG,
- Bewertung unbebauter Grundstücke nach Fläche und aktuellem Bodenrichtwert (keine Rechtsänderung),
- Bewertung bebauter Grundstücke nach Vergleichswert-, Ertragswert- oder Sachwertverfahren,
- Bewertungsvorschriften für Sonderfälle der Erbbaurechte, Gebäude auf fremdem Grund und Boden und Grundstücke im Zustand der Bebauung,
- Bewertungsverfahren sollen in einer gesonderten Rechtsverordnung typisierend geregelt werden.
Ergebnis dieser Überlegungen war der Gesetzentwurf zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz – ErbStRG) vom 28.01.2008 (BT-Drs. 16/7918). In diesem Gesetzentwurf wurden die Vorgaben zum Grundvermögen aus der Bund-Länder-Arbeitsgruppe entsprechend umgesetzt.
Rz. 2
Ziel war die verfassungskonforme, realitätsgerechte Bewertung aller Vermögensklassen. Das bedeutet, dass für das Grundvermögen – je nach anzuwendender Bewertungsmethode – der gemeine Wert oder Verkehrswert (oder auch Marktwert, vgl. Drosdzol, ZEV 2008, 10, 11; Roth/Fischl, NJW 2008, 401, 403) als Bemessungsgrundlage zu ermitteln ist. Der Ansatz des Verkehrswertes als Wertmaßstab entspricht dem Bereicherungsprinzip, denn besteuert werden soll die tatsächliche Bereicherung beim Erwerber. Muss dieser, um die Erbschaft- oder Schenkungsteuer zahlen zu können, Teile des erworbenen Vermögens veräußern, erfolgt diese Veräußerung zum Verkehrswert, mithin ist der Substanzwert der Bereicherung anzusetzen. So kann auch eine Gleichbehandlung aller Vermögensarten sowie von Inlands- und Auslandsvermögen gewährleistet werden (vgl. Balle/Gress, BB 2007, 2660, 2661).
Für die Bewertung des Grundvermögens wird zunächst eine Zuordnung der Grundstücksarten zu den einzelnen Wertermittlungsmethoden vorgenommen. Sodann werden die Methoden zur Wertermittlung (Vergleichswert-, Ertragswert- und Sachwertmethode) im BewG beschrieben und geregelt.
Die einzige Verschonung, die das Gesetz für die Besteuerung des Grundvermögens vorsieht, ist unter bestimmten Voraussetzungen ein 10 %iger Bewertungsabschlag von der Bemessungsgrundlage für vermietete Wohnimmobilien.
Rz. 3
Der ursprüngliche Regierungsentwurf für das Erbschaftsteuerreformgesetz, der am 20.11.2007 als Referentenentwurf veröffentlicht und am 11.12.2007 als Regierungsentwurf verabschiedet wurde, sah noch eine Nachversteuerungsregelung vor (s. Geck, ZEV 2008, 5, 7). So sollte der verminderte Wertansatz mit Wirkung für die Vergangenheit wegfallen, soweit der Erwerber innerhalb von 15 Jahren nach dem Erwerb Grundstücke i. S. d. Abs. 3 veräußert. Diese Regelung ist dann im Gesetzentwurf (BT-Drs. 16/7918) nicht mehr enthalten gewesen. Ausdrücklich wird im Abschn. 36 Abs. 2 ErbStG-Erlass/Anwendung der geänderten Vorschriften des ErbStG (BStBl I 2009, 713) klargestellt, dass eine Behaltensverpflichtung ebenso wenig besteht, wie eine Verpflichtung zur weiteren Vermietung zu Wohnzwecken nach dem Besteuerungszeitpunkt erforderlich ist.
Rz. 4
Der Verschonungsabschlag von 10 % wurde damit begründet, dass im Immobiliensektor auch kleinere Vermögen mit geringem Risiko angelegt werden könnten. So würden viele Menschen "Unternehmer", ohne einen Betrieb leiten zu müssen. Hier seien insbesondere die Mietwohnungen von Privaten und Personenunternehmen als Gegenpol zu größeren institutionellen Anbietern zu beachten, um den Wettbewerb einerseits und die Wohnraumversorgung andererseits zu stärken. Die Vererbung von Wohnimmobilien trage zu dieser gewünschten Diversifizierung bei. Der Verschonungsabschlag solle ein Ungleichgewicht zu de...