Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Preißer
Rz. 430
Diese ausführlich in den Verwaltungsrichtlinien dargestellte Problematik verdankt ihren Ausgangspunkt der gesetzlichen Formulierung in § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, wonach nur "vertragliche" Bezüge zu Gunsten Dritter auf den Todesfall einen steuerpflichtigen Vermögensvorteil auslösen. In den meisten Beschäftigungsverhältnissen kommen die Hinterbliebenen in den Genuss nachvertraglicher Leistungsbezüge, sog. "Versorgungsansprüche". Rein zivilrechtlich gehen diese Ansprüche – vergleichbar dem Anspruch des Bezugsberechtigten bei einer Lebensversicherung – nicht im Erbwege (s. § 1922 BGB) auf die Hinterbliebenen über, sondern entstehen originär in der Person der Angehörigen. Rechtsprechung. und Verwaltung klammern in einer ersten Beurteilung alle gesetzlichen Versorgungsansprüche aus dem Katalog der steuerpflichtigen Versorgungsbezüge aus. So lösen insbesondere alle auf Beamtengesetzen, auf der gesetzlichen Rentenversicherung für Angestellte und Arbeiter, auf berufsständischen freiberuflichen Versicherungen sowie aufgrund der Diätengesetze von Bund und Ländern beruhenden Bezüge keine Steuerpflicht nach § 3 ErbStG aus (s. R E 3.5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1–4 ErbStR). Die Rechtsprechung des BFH hat sodann unter dem Einfluss des Gleichheitsgrundsatzes von Art. 3 GG eine teleologische Reduktion (einschränkende, gesetzeszielorientierte Auslegung) von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG vorgenommen und alle auf einem Dienstvertrag mit dem Arbeitgeber beruhenden Hinterbliebenenbezüge den gesetzlichen steuerfreien Ansprüchen gleichgestellt (R E 3.5 Abs. 2 Satz 2 ErbStR). R E 3.5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Satz 3 ErbStR erweitert den Kreis der nicht steuerbaren Bezüge um Ansprüche, die auf einer freiwilligen Weiter- oder Höherversicherung in einem berufsständischen Versorgungswerk beruhen. Betroffen davon sind frühere Pflichtmitglieder mit berufsfremder Tätigkeit, die zu einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung führt.
Hinweis: Für den Fall einer Direktversicherung, die ein Arbeitgeber zugunsten des Erblassers abgeschlossen hat und bei der der Erblasser den Anspruch hieraus einer Bezugsberechtigten zukommen ließ, entschied der BFH im Urteil vom 18.12.2013 (DStR 2014, 261), dass der erworbene Anspruch gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtig sei, wenn die Bezugsperson nicht die persönlichen Voraussetzungen für eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Erblassers erfüllt.
Rz. 431
Probleme treten jedoch in den Fällen auf, da mit den Gesellschaftern von Personen- und Kapitalgesellschaften wegen ihrer Funktion als Geschäftsführer vergleichbare Versorgungsansprüche für deren Hinterbliebene vereinbart werden. Aufgrund einer vom BVerfG abgesegneten Rechtsprechung des BFH wird in dieser Fallgruppe wie folgt differenziert:
Rz. 432
Bei Gestaltungsüberlegungen sollte man jedoch im Auge behalten, dass die bei der verdeckten Gewinnausschüttung vom BFH ertragsteuerlich kreierte Rechtsfigur des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers nicht in allen Punkten mit der erbschaftsteuerlichen Figur des herrschenden Geschäftsführers identisch ist.
So ersetzt z. B. im Körperschaftsteuerrecht die Stimmrechtsmehrheit die nominelle Kapitalanteilsmehrheit, an der allein sich das Erbschaftsteuerrecht orientiert. Ähnliche Ungereimtheiten gibt es bei der "Gruppenbildung".
Rz. 433
Einen illustrativen Fall hat das FG Münster am 31.01.2001 (EFG 2002, 627) entschieden, als es die Pension der Witwe eines mit 50 % beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH als steuerpflichtig behandelt hat: Immer dann, wenn der/die anderen Gesel...