Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Rz. 1
Zur Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs i. R.d. Erbschaft- und Schenkungsteuerfestsetzung ist zunächst die Frage zu klären, welche Vermögenswerte dem Grunde nach dazugehören. Zum Besteuerungszeitpunkt (§ 9 ErbStG) sollen mögliche, in der Zukunft liegende Vermögensveränderungen unberücksichtigt bleiben, auch wenn ihr Eintritt wahrscheinlich ist.
Rz. 2
Ist in einem Rechtsgeschäft eine Bedingung (die Rechtswirkung eines Vertrages wird kraft Parteivereinbarung von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht) als Nebenabrede enthalten, kann sie aufschiebenden oder auflösenden Charakter haben. Bei einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) tritt die Wirkung eines Rechtsgeschäfts erst mit dem Eintritt der Bedingung ein; solange die Bedingung noch nicht eingetreten ist, besteht hinsichtlich des beabsichtigten Rechtserfolgs ein Schwebezustand. Bei einer auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) tritt umgekehrt die Wirkung des Rechtsgeschäfts sofort ein, endigt jedoch mit dem Eintritt der Bedingung.
Rz. 3
Nach den §§ 4 bis 7 BewG, die sich den zivilrechtlichen Regelungen anschließen, werden Vermögenswerte, deren Erwerb vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, erst berücksichtigt, wenn die Bedingung eingetreten ist. Unter einer aufschiebenden Bedingung stehende Lasten sind nur zu berücksichtigen, soweit sie bei der Steuerfestsetzung oder während eines dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens bereits infolge Bedingungseintritts entstanden sind. Bei den §§ 4 bis 7 BewG handelt es sich um Regelungen mit stichtagsdurchbrechender Wirkung, die darauf abzielen, Ereignisse erst dann zu berücksichtigen, wenn sie tatsächlich eingetreten sind. Dies berührt nicht die Frage der Ermittlung des "Wie", sondern beschränkt nur das "Was" der Bewertung. Danach sind zum Bewertungsstichtag die tatsächlichen und nicht die auf einen bestimmten späteren Stichtag prognostizierten Verhältnisse maßgebend.
Rz. 4
Ob die Entstehung als aufschiebend oder auflösend bedingt anzusehen ist, ist nicht davon abhängig, ob der Eintritt des Ereignisses wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist. Auf das Maß der Aussichten für den Eintritt oder Nichteintritt einer Bedingung kommt es nicht an (BFH vom 14.07.1967, BStBl II 1967, 770). Insoweit wird die wirtschaftliche Betrachtungsweise ausdrücklich ausgeschaltet (R B 4 Abs. 2 Satz 4 bis 6 ErbStR). Die Vorschriften gelten auch dann, wenn nicht nur einzelne Vermögenswerte bedingt erworben werden, sondern der Erwerb an sich bedingt ist (z. B. ein Schenkungsversprechen).
Rz. 5
In den Fällen des § 5 Abs. 2 und § 6 Abs. 2 BewG ist die ursprüngliche bestandskräftige Steuerfestsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis) mit Wirkung für die Vergangenheit zu berichtigen.