Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Rz. 5
Befindet sich bspw. ein Doppelhaus im Eigentum einer Person, so stellt sich bei deren Tod die Frage, wie viele wirtschaftliche Einheiten vererbt werden und wie viele demnach bewertet werden müssen? Klar ist nur, dass die Vermögensart Grundvermögen angesprochen ist. Über § 176 Abs. 1 Nr. 1 BewG lässt sich jedoch nicht die Frage klären, wie viele wirtschaftliche Einheiten vorhanden sind.
Mehrere Wirtschaftsgüter können nur dann zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
Eigentümeridentität
Die Wirtschaftsgüter müssen demselben Eigentümer gehören (§ 2 Abs. 2 BewG). Eigenes Eigentum kann insoweit nicht mit fremdem Eigentum vermischt werden, was logisch erscheint, denn nicht im eigenen Eigentum befindliches Vermögen kann z. B. auch nicht vererbt werden (§ 1922 Abs. 1 BGB). Das Erbschaftsteuerrecht knüpft grds. an den zivilrechtlichen Eigentumsbegriff an (§ 1922 Abs. 1 BGB und § 39 Abs. 1 AO; Ausnahme z. B. beim Zeitpunkt der Schenkung eines Grundstücks, R E 9.1 ErbStR). Das bedeutet, dass Gegenstände dem Eigentümer, Forderungen dem Gläubiger, Schulden dem Schuldner und Rechte (z. B. Nießbrauch) dem Berechtigten zuzurechnen sind. Wirtschaftliches Eigentum spielt also insoweit keine Rolle.
Zugehörigkeit zur gleichen Vermögensart
In vielen Fällen sieht das BewG eine direkte Zuordnung vor (so z. B. § 95 Abs. 1 BewG oder § 176 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Dadurch wird auch der Umfang der jeweiligen wirtschaftlichen Einheit bestimmt. Z. B. kann ein betrieblich genutzter Pkw nach § 95 Abs. 1 BewG nur zur wirtschaftlichen Einheit "Gewerbebetrieb" und damit zum BV gehören. Eine Zugehörigkeit zum übrigen Vermögen ist aus diesem Grund ausgeschlossen.
Wirtschaftliche Einheit nach der Verkehrsauffassung
Diese Voraussetzung ist dann zu beachten, wenn eine Zuordnung durch eine spezielle Gesetzesvorschrift (so z. B. § 95 Abs. 1 BewG oder § 176 Abs. 1 Nr. 1 BewG) nicht möglich ist. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 BewG ist in diesen Fällen nach der sog. Verkehrsauffassung zu klären, was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat. Danach sind folgende Kriterien heranzuziehen:
- die örtliche Gewohnheit (objektives Kriterium),
- die tatsächliche Übung (subjektives Kriterium),
- die Zweckbestimmung (subjektives Kriterium),
- die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit (objektives Kriterium).
Entscheidend ist in Zweifelsfällen die Gewichtung der Einzelkriterien, wobei objektive Kriterien Vorrang haben.
Rz. 6
Durch die vorhandenen Einzelregelungen bzgl. des Umfangs von wirtschaftlichen Einheiten (so z. B. § 95 Abs. 1 oder § 176 Abs. 1 Nr. 1 BewG) ist die praktische Bedeutung des § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 BewG auf wenige Sonderfälle beschränkt.
I.R.d. Grundvermögens und des BV werden in der Regel mehrere Wirtschaftsgüter eine wirtschaftliche Einheit bilden. Im übrigen Vermögen hingegen wird grds. jedes WG gleichzeitig auch die wirtschaftliche Einheit darstellen; eine Ausnahme davon sind z. B. Sammlungen. Auch Schulden sind Wirtschaftsgüter und bilden jeweils eine wirtschaftliche Einheit für sich. Von Bedeutung sind sie insb. als Nachlassverbindlichkeiten.
Wird bspw. ein privater Pkw vererbt, so ist dieser Pkw die wirtschaftliche Einheit und wird dem übrigen Vermögen zugerechnet. Er ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BewG einzeln zu bewerten. Für Zwecke der ErbSt wird er nach § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 9 Abs. 1 und 2 BewG mit dem gemeinen Wert erfasst.
Werden hingegen zwei Bauplätze und ein Einfamilienhaus, die sich im Eigentum des EL befinden und im Inland belegen sind, vererbt, so handelt es sich um drei unterschiedliche Grundstücke (zwei unbebaute Grundstücke und ein bebautes Grundstück), die jeweils eine wirtschaftliche Einheit darstellen (§ 70 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 BewG) und alle dem Grundvermögen zugerechnet werden. Sie sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BewG einzeln zu bewerten. Für Zwecke der ErbSt werden sie jeweils nach § 12 Abs. 3 ErbStG i. V. m. dem BewG mit dem gesondert festzustellenden Grundbesitzwert erfasst.
Rz. 7
Die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer wirtschaftlichen Einheit und zur entsprechenden Vermögensart ist wichtig für die Frage, wie bewertet wird und welche erbschaft- und schenkungsteuerlichen Folgen daran anknüpfen (z. B. Verschonungsregelungen).
Wirtschaftliche Einheiten sind also zu erkennen und zu benennen und danach der jeweiligen Vermögensart, die mehrere wirtschaftliche Einheiten umfassen kann, zuzuordnen und zu bewerten. Bewertet wird also nicht die Vermögensart, sondern die zu ihr gehörende wirtschaftliche Einheit.
Rz. 8–10
vorläufig frei