Rz. 694
Aufgrund der Vertragsfreiheit besteht zivilrechtlich die Möglichkeit, dass die Beteiligung eines Gesellschafters einer Personengesellschaft vom Gewinnanteil des Gesellschafters divergiert. Übersteigt der Gewinnanteil den Anteil an der Beteiligung, würde sich für Zwecke der Schenkungsteuer – ohne die Vorschrift des § 7 Abs. 6 ErbStG – die Bewertung des Gesellschaftsanteils ausschließlich am Unternehmenswert ausrichten (§ 109 Abs. 1 i. V. m. § 11 BewG n. F.; Einzelheiten hierzu s. § 12 Rn. 720 ff.). Ein höherer, über dem Personengesellschaftsanteil liegender Gewinnanspruch des Gesellschafters bliebe unberücksichtigt. An dieser Stelle greift § 7 Abs. 6 ErbStG ein und unterwirft das Gewinnübermaß ebenfalls der Schenkungsteuer, indem es den auf den Gesellschafter übertragenen Anspruch auf das Gewinnübermaß als "selbstständige Schenkung" ansieht. Die Vorschrift spaltet daher den aus einem Bündel von Rechten und Pflichten bestehenden Gesellschaftsanteil in zwei selbständige Zuwendungen auf: Übertragen wird zum einen der Gesellschaftsanteil mit den dazugehörigen Rechten und Pflichten (ohne Gewinnübermaß) und zum anderen der Anspruch auf das Gewinnübermaß. Dieser wird daher aus dem Bündel der Rechte und Pflichten, die zusammen den Gesellschaftsanteil darstellen (s. Rn. 406 ff.), herausgelöst und als eigene, selbständige Zuwendung angesehen. Besteuert wird allerdings der gesamte Vorgang als einheitliche Zuwendung, auch wenn für die Wertermittlung eine Zerlegung des Vorgangs in zwei selbständige Zuwendungen angenommen wird (Hannes/Holtz in M/H/H, § 7 Rn. 152).
Rz. 695
Vor Einführung des § 7 Abs. 6 ErbStG zum 01.01.1974 hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung die bestehende Gesetzeslücke in verschiedenster Weise ausgefüllt. So nahm der RFH (Urteil vom 19.06.1935, RStBl 1935, 1155) im Falle einer Schenkung eines Gesellschaftsanteils mit Gewinnübermaß – ähnlich wie die nunmehrige Regelung des § 7 Abs. 6 ErbStG – zwei Schenkungen, nämlich zum einen die Schenkung des Gesellschaftsanteils und zum anderen die Schenkung des Anspruchs auf das Gewinnübermaß an. Der BFH (Urteil vom 29.11.1961, BStBl III 1962, 323) ging dagegen nur von einer Schenkung aus, berücksichtigte allerdings das Gewinnübermaß als werterhöhenden Umstand. Mit Urteil vom 25.06.1969 (BStBl II 1969, 653) sowie vom 27.10.1972 (BStBl II 1973, 14) gab er dann seine bisherige Rechtsprechung auf und berücksichtigte das Gewinnübermaß – unter Beibehaltung der Annahme einer Schenkung – durch die Zurechnung eines vergleichsweise größeren Anteils des Gesellschafters bei der Aufteilung des Betriebsvermögens der Gesellschaft. Insbesondere die zuletzt genannte Methode zur Berücksichtigung des Gewinnübermaßes wurde vom Gesetzgeber als zu kompliziert angesehen, so dass die nunmehrige Regelung des § 7 Abs. 6 ErbStG wieder an die Rechtsprechung des RFH anknüpft und gedanklich von zwei Zuwendungen ausgeht. Ob der Gesetzgeber allerdings sein Ziel einer Vereinfachung erreicht hat, darf bezweifelt werden (Einzelheiten s. Hannes/Holtz in M/H/H, § 7 Rn. 147, 151).
Rz. 696
Des Weiteren scheint zweifelhaft, ob überhaupt ein Bedarf für eine derartige Regelung bestand. Die Attraktivität einer Schenkung eines Personengesellschaftsanteils mit Gewinnübermaß wurde nämlich durch die Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 29.05.1972 (BStBl II 1973, 5), die dem Gesetzgeber bei Einführung von § 7 Abs. 6 ErbStG bekannt war, stark eingeschränkt. Derartige Gestaltungen, die in der Praxis fast ausschließlich im Bereich von Familienpersonengesellschaften vorkommen, haben vornehmlich den Hintergrund, ertragsteuerlich die Einkunftsquelle auf eine andere Person, meistens die Kinder, zu übertragen. Der Große Senat des BFH hat allerdings entschieden, dass bei Zuwendung eines Gesellschaftsanteils mit Gewinnübermaß, die das Gewinnübermaß betreffenden Einkünfte ertragsteuerlich nicht dem Beschenkten, sondern weiterhin dem Schenker zugerechnet werden, bei dem sie dann eine (private) Einkommensverwendung darstellen. Die Einkommensbesteuerung findet daher weiterhin beim Schenker statt, der Beschenkte erhält das Gewinnübermaß einkommensteuerfrei. Es ist daher nicht sonderlich überraschend, dass die in § 7 Abs. 6 ErbStG geregelten Fälle in der Gestaltungspraxis nur selten anzutreffen sind.
Rz. 697–699
vorläufig frei