Ausgewählte Literaturhinweise:
Casper/Altgen, Gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln -- Auswirkungen der Erbschaftsteuerreform, DStR 2008, 2319;
Gebel, Die Lust an der Fiktion, ZEV 1999, 249; Kotzenberg/Maetz, Die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 7 ErbStG beim Ausscheiden eines Gesellschafters "auf Zeit", BB 2013, 2391; Kreutziger, Schenkungsteuerliche Auswirkungen eines Gesellschafters aus einer Freiberuflerpraxis, ZEV 2013, 252;
Neumayer/Imschweiler, Schenkungsteuer beim Ausscheiden eines Gesellschafters auf Basis gesellschaftsvertraglicher Abfindungsklauseln, DStR 2010, 201;
Ostermayer/Erhart, Schenkungsteuer ohne objektive Bereicherung? Probleme mit § 7 Abs. 7 ErbStG, BB 2005, 2044;
Ostermayer/Riedel, Hinauskündigungsklauseln: Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit führt zu steuerpflichtigen Schenkungen, BB 2006, 1662;
Schwindl/Schmidt, Gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln, NWB 2009, 297;
Werner, Fiktive Schenkungen im Rahmen der Unternehmensnachfolge, NWB-EV 2017, 173.
Ausgewählte Rechtsprechung:
BFH vom 01.07.1992, BStBl II 1992, 921;
BFH vom 01.07.1992, BStBl II 1992, 925;
BFH vom 20.01.2016, BFH/NV 2016, 848;
BFH vom 06.05.2020, BStBl II 2020, 744.
16.1 Allgemeines
Rz. 707
§ 7 Abs. 7 ErbStG ist zum 01.01.1974 in das Erbschaftsteuergesetz aufgenommen und durch das StEntlG 1999/2000/2002 (Gesetz vom 24.03.1999, BStBl I 1999, 304) um Satz 2 ergänzt worden. Satz 2 stellt eine Präzisierung und Sonderregelung zur Einziehung von Geschäftsanteilen dar. Mit Inkrafttreten des ErbStRG zum 01.01.2009 wurde § 7 Abs. 7 ErbStG um Satz 3 erweitert und der Anwendungsbereich auf Fälle des § 10 Abs. 10 ErbStG ausgeweitet.
Rz. 708
Eine Parallelvorschrift zu § 7 Abs. 7 ErbStG für Erwerbe von Todes wegen ist in § 3 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 ErbStG gegeben.
Rz. 709
§ 7 Abs. 7 ErbStG erfasst Fälle, in denen ein Gesellschafter aus einer Personen- oder Kapitalgesellschaft gegen Abfindung unter dem steuerlichen Anteilswert (Minderabfindung) ausscheidet. Derartige Fälle wurden bis zum 01.01.1974 von der Schenkungsteuer nicht erfasst. Vielmehr haben der BGH (vom 22.11.1956, BGHZ 22, 186) ebenso wie der BFH (vom 15.05.1953, BStBl III 1953, 199) im Rahmen ihrer "Wagnisrechtsprechung" entschieden, dass bei der Vereinbarung von Abfindungsbeschränkungen (meist Buchwertklauseln), die gleichmäßig für alle Gesellschafter gelten sollen, jeder Gesellschafter um der Chance willen, die Anteile des anderen bei dessen Ausscheiden günstig übernehmen zu können, das Wagnis des Verlustes seines Anteils ohne angemessene Abfindung eingeht und daher eine Schenkung nicht vorliegt. Auch eine freigebige Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG liegt in solchen Fällen nicht vor, da es regelmäßig am Willen des ausscheidenden Gesellschafters zur Unentgeltlichkeit fehlt. § 7 Abs. 7 ErbStG regelt nunmehr im Wege einer Fiktion, die verfassungsrechtlich unbedenklich sein soll (BVerfG vom 09.07.1993, HFR 1993, 595), dass beim Ausscheiden eines Gesellschafters gegen (Minder-)Abfindung aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen oder gesetzlichen Abfindungsklausel die Differenz zwischen Steuerwert und (Minder-)Abfindung als Schenkung gilt. Nicht erfasst sind daher rechtsgeschäftliche Übertragungen auf dritte Personen gegen ein unter dem Steuerwert liegendes Entgelt, die allerdings als gemischt-freigebige Zuwendung beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen § 7 Abs. 1 Nr. 1 EStG unterfallen können (BFH vom 20.01.2016, BFH/NV 2016, 848; FG München vom 05.04.2017, EFG 2017, 1027, Rev. BFH II R 19/17). Tatbestandlich erfordert § 7 Abs. 7 ErbStG zwei Voraussetzungen:
- das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft und
- den Übergang seines Anteils auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft gegen Minderabfindung.
Rz. 710
Da § 7 Abs. 7 ErbStG sowohl Personengesellschaften als auch Kapitalgesellschaften erfasst, ist die Regelung unabhängig von der Rechtsform der Gesellschaft anwendbar. Die typischen Anwendungsfälle in der Praxis ergaben sich allerdings bisher vornehmlich bei Kapitalgesellschaften, da die Bewertung von Personengesellschaftsanteilen regelmäßig mehr oder weniger dem Buchwert entsprach (verlängerter Ansatz der Handelsbilanz), während bei Kapitalgesellschaften, insbesondere bei Familien-GmbHs, durch die Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren, der Anteilswert durch die Mitberücksichtigung der Ertragsstärke des Unternehmens deutlich über dem Buchwert liegen konnte. Die Vorschrift hatte allerdings bislang nur geringe Relevanz. Infolge der Anpassung der Bewertungsvorschriften zum 01.01.2009 und der damit einhergehenden Annäherung der steuerlichen Bewertung an den Verkehrswert wird die Vorschrift des § 7 Abs. 7 ErbStG künftig deutlich mehr an Bedeutung gewinnen (ebenso Hübner, DStR 2007, 1013, 1019; Casper/Altgen, DStR 2008, 2319, 2321; Esskandari in vO/L, § 7 Rn. 534 spricht sogar "von überragender praktischer Bedeutung"). Potenziell hiervon betroffen sind Gesellschafter von Personen- oder Kapitalgesellschaften, deren Gesellschaftsvertrag eine Abfindungsklausel zu ...