Rz. 761
Obwohl bereits im Gesetzgebungsverfahren (Bericht des Finanzausschusses BT-Drs. 17/7524, 8) gesehen wurde, dass Sanierungsfälle, insb. Forderungsverzichte, vom Wortlaut des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG erfasst sind, hat diese Erkenntnis keinen Eingang in den Gesetzestext gefunden. Zur Abmilderung will nunmehr die Finanzbehörde (R E 7.5 Abs. 11 Satz 9 ErbStR) nicht beanstanden, wenn bei einem angestrebten disquotalen Forderungsverzicht eines Gesellschafters dieser in einem vorgeschalteten Schritt die anteilige Forderung an die Mitgesellschafter verkauft und die Gesellschafter dann in einem zweiten Schritt beteiligungsproportional auf ihre Forderungen verzichten. Mit diesem "Trick" wird erreicht, dass § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG mangels Werterhöhung nicht eingreift (ebenso van Lishaut/Ebber/Schmitz, Ubg 2012, 1, 5). Ertragsteuerlich kann die Annahme eines vorgeschalteten Forderungsverkaufs ggf. zur Folge haben, dass den Mitgesellschaftern beim Erwerb nachträgliche Anschaffungskosten der Anteile entstehen, die sich bei einer späteren Veräußerung i. R.d. § 17 EStG veräußerungsgewinnmindernd auswirken (Einzelheiten hierzu vgl. Seltenreich in Seltenreich/Miertsch, Besteuerung von Dividenerträgen und wesentlichen Beteiligungen 2017, 73 ff. sowie BFH vom 11.07.2017, BFH/NV 2017, 1501).
Rz. 762
Forderungsverzichte von Nichtgesellschaftern gegenüber der Kapitalgesellschaft behandelt R E 7.5 Abs. 11 ErbStR nicht. Verzichtet daher ein Gläubiger infolge der Krise der Kapitalgesellschaft auf seine Forderung und führt dies zu einer Werterhöhung der Anteile, so ist der Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG erfüllt, auch wenn es dem Gläubiger offensichtlich nur darauf ankam, das Überleben der Kapitalgesellschaft zu sichern, um bspw. künftige Geschäftsbeziehungen zu erhalten.
Rz. 763
Sofern es sich bei dem verzichtenden Gläubiger um eine Kapitalgesellschaft handelt, wird teilweise vertreten, dass in derartigen Fällen § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG einschlägig wäre. Satz 2 der Vorschrift erfordert nämlich im Gegensatz zu Satz 1 eine Bereicherungsabsicht der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft. Hieran fehlt es allerdings dann, wenn eine außenstehende Kapitalgesellschaft, z. B. eine Bank, zum Zwecke der Sanierung der Kapitalgesellschaft auf Forderungen verzichtet (§ 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG, bejahend: Korezkij, DStR 2012, 163, 170). Allerdings scheint vorliegend fraglich, ob § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG auf derartige Fälle Anwendung findet oder nicht vielmehr auf Konzernfälle zu begrenzen ist. Aus der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 253/11 (B), 35) ergibt sich, dass der Gesetzgeber nur Konzernfälle, also Leistungen zwischen verbundenen Kapitalgesellschaften, der Regelung des § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG unterwerfen wollte (ebenso St. Viskorf/Haag/Kerstan, NWB 2012, 927, 931). Für diese Auffassung spricht auch eine ganz praktische Überlegung. Wollte man für die Steuerbarkeit eines Gläubigerverzichts nach Kapitalgesellschaften und sonstigen Gesellschaften unterscheiden, hätte dies zur Folge, dass Forderungsverzichte von Kapitalgesellschaften, bspw. Banken, zu keiner Besteuerung führen, während der Forderungsverzicht eines sonstigen Gläubigers, der keine Kapitalgesellschaft ist, bspw. eines Lieferanten in Form eines Einzelunternehmens, zur Steuerpflicht führen würde. Eine derartige Unterscheidung würde dem Zufall Tür und Tor öffnen.
Rz. 764
De lege lata wird man daher davon ausgehen müssen, dass Forderungsverzichte von Nichtgesellschaftern, die zu Werterhöhungen der Gesellschaftsanteile führen, nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG schenkungsteuerpflichtig sind (ebenso Loose in vO/L, § 7 Rn. 574 f.). Es wird allerdings stets zu prüfen sein, inwieweit die Forderung, auf die verzichtet wurde, noch werthaltig war und der Verzicht tatsächlich zu einer Werterhöhung der Anteile führt (vgl. auch Holthusen, ZEV 2016, 311, 313; Loose in vO/L, § 7 Rn. 575).