Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Rz. 4
Im Vergleichspreisverfahren wird der Vergleichswert aus einer ausreichenden Zahl von geeigneten Vergleichspreisen ermittelt. Für die Ableitung der Vergleichspreise sind die Kaufpreise solcher Grundstücke heranzuziehen, die mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmende Grundstücksmerkmale aufweisen (Vergleichsgrundstücke). Ausnahmsweise kann auch ein Vergleichspreis genügen, wenn das Vergleichsgrundstück eine hinreichende Übereinstimmung aufweist (s. a. FG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 26.05.2020, s. Rn. 7).
Rz. 5
Eine hinreichende Übereinstimmung der Grundstücksmerkmale der Vergleichsgrundstücke liegt vor, wenn sie insb. hinsichtlich ihrer Lage, Art und ihrem Maß der baulichen Nutzung, Größe, des Erschließungszustands, der Gebäudeart und des Alters des Gebäudes mit dem zu bewertenden Grundstück weitgehend übereinstimmen bzw. die Abweichungen in sachgerechter Weise berücksichtigt werden können.
Rz. 6
Vorrangig ist auf die von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte mitgeteilten Vergleichspreise zurückzugreifen. Liegen mehrere Vergleichspreise vor, soll der Durchschnittswert angesetzt werden. Sofern der Gutachterausschuss nur Durchschnittskaufpreise (Kaufpreismittel) aus einer Vielzahl von Kauffällen einer Grundstücksart ohne Berücksichtigung unterschiedlicher wertbeeinflussender Grundstücksmerkmale abgeleitet hat, sind diese nach Verwaltungsauffassung als Vergleichspreise nicht geeignet (R B 183 Abs. 2 ErbStR).
Nachrangig kann auch auf andere der FinVerw vorliegende geeignete Unterlagen (z. B. aussagekräftige Kaufpreissammlungen) zu vergleichbaren Kauffällen zurückgegriffen werden (§ 183 Abs. 1 Satz 2 BewG).
Rz. 7
Als ein Vergleichspreis kann auch nach Auffassung der FinVerw der für das zu bewertende Grundstück tatsächlich innerhalb eines Jahres vor dem Bewertungsstichtag unter fremden Dritten erzielte Kaufpreis gelten, sofern zwischenzeitlich keine Änderungen der Wertverhältnisse eingetreten sind und dem Verkauf keine ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnisse zugrunde gelegen haben (H B 183 Abs. 2 ErbStH).
Wird ein Grundstück im Wege der sog. mittelbaren Grundstücksschenkung (R E 7.3 ErbStR) zugewandt, kann nach Meinung des FG Düsseldorf dessen tatsächlich zu zahlender Kaufpreis der Vergleichswert i. S. d. § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG sein (Gerichtsbescheid vom 26.05.2020, 11 K 3447/19 BG).
Begründung: § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG ist, so das FG Düsseldorf, dahingehend zu verstehen, dass ein einzelner Verkaufspreis als Vergleichswert ausreicht, wenn er das zu bewertende Grundstück selbst betrifft und zeitnah im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt wurde. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der tatsächliche Wert eines Grundstücks nur zugunsten der Steuerpflichtigen im Wege der Öffnungsklausel (§ 198 BewG) zu berücksichtigen sein sollte, aber nicht i. R.d. Vergleichswertverfahrens. Der Wortlaut des Gesetzes steht dieser Gesetzesauslegung nicht entgegen. Zwar verlangt die gesetzliche Regelung die Heranziehung von "Grundstücken". Die Verwendung eines Begriffs in der Mehrzahl bedeutet aber nicht zwingend, dass tatsächlich mehrere Gegenstände der genannten Art vorliegen müssen. Die Verwendung des Plural kann auch der Verwendung des Wortes als Oberbegriff dienen. Das FG Düsseldorf weist darauf hin, dass auch die Vorschrift des § 306 Nr. 1 StGB verlangt, dass "Gebäude" in Brand gesetzt werden. Dennoch macht sich nicht nur derjenige strafbar, der mehr als ein Gebäude in Brand setzt. Es ist daher anhand des Wortlauts der Vorschrift auch möglich, diese dahingehend auszulegen, dass ein einzelnes Grundstück zur Ermittlung des Vergleichspreises herangezogen werden kann. Die Heranziehung von Grundstücken in § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG ist vielmehr im Zusammenhang mit § 183 Abs. 1 Satz 1 HS 2 BewG der Vorschrift zu sehen. Danach können Grundstücke herangezogen werden, wenn die ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen. Je größer die Übereinstimmung des verkauften Grundstücks mit dem zu bewertenden Grundstück ist, desto eher erscheint eine größere Stichprobe von verkauften Grundstücken zur Ermittlung eines Vergleichswertes entbehrlich. Ein einzelner Verkaufspreis ist dann ausreichend, wenn er das zu bewertende Grundstück selbst betrifft und zeitnah im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt wurde. Hinsichtlich der wertbeeinflussenden Merkmale besteht in diesem Fall eine vollständige Übereinstimmung.
Fazit: Der Gerichtsbescheid ist u. E. ein überraschendes Ergebnis für die Praxis. Es ist fraglich, ob der Gesetzgeber mit dem Begriff "Vergleichswertverfahren" eben nicht doch andere vergleichbare Grundstücke ins Auge gefasst hat. Deshalb lässt das FG Düsseldorf gem. § 115 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung dieser Frage die Rev. zu (BFH-Az. II R 14/20).
Rz. 8
Fehlt es an Vergleichsgrundstücken und liegen auch keine Vergleichsfaktoren vor, erfolgt eine Bewertung im Wege des Sachwertverfahrens (§ 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG).
Rz. 9
vorläufig fr...