2.12.1 Allgemeines
Rz. 186
Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ist als Freibetrag ausgestaltet und stellt eine angemessene – ansonsten steuerpflichtige – Zuwendung an Personen i. H. v. 20.000 EUR steuerfrei, sofern diese dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt haben.
Dies gilt – entgegen dem ersten Eindruck aufgrund der Gesetzesformulierung – sowohl für Erwerbe von Todes wegen als auch für Erwerbe unter Lebenden (s. R E 13.5 Abs. 1 Satz 1 ErbStR). Bei Schenkungen dürfte die Zuwendung jedoch überwiegend als Gegenleistung für die Pflege bzw. den Unterhalt anzusehen sein, so dass es sowohl an einer Bereicherung als auch am Bereicherungswillen fehlt. In der weiteren Folge ergibt sich keine Schenkungsteuer-, aber möglicherweise eine Einkommensteuerpflicht. Sofern ein Grundstück die Zuwendung darstellt, wäre eine mögliche Grunderwerbsteuerpflicht (aufgrund der Gegenleistung) zu prüfen.
Steuerbefreit sind grundsätzlich nur die Zuwendungen an den Pflegenden bzw. Unterhaltszahlenden selbst, ausnahmsweise jedoch auch bei einer Zahlung an seine Erben.
Wird die Verpflichtung zur Pflege unter eine aufschiebende Bedingung gestellt (z. B. weil die zu pflegende Person noch nicht pflegebedürftig ist), die Zuwendung jedoch bereits – vorab – erbracht, wird zunächst kein Freibetrag nach der Nr. 9 gewährt. Dieser wird, ebenso wie weitere Gegenleistungen, erst bei Bedingungseintritt gewährt (s. R E 13.5 Abs. 4 ErbStR).
Rz. 187
Die Gesetzesbegründung zur Erhöhung des Freibetrags von 5.200 EUR auf 20.000 EUR ab dem 01.01.2009 durch das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts weist auf die Notwendigkeit und die Verfassungsmäßigkeit einer Obergrenze hin. Damit würden missbräuchliche Ausnutzungen der Befreiung durch Beantragen überhöhter Beträge für meist nur bedingt nachprüfbare Pflege- oder Unterhaltsleistungen auf ein vernünftiges, akzeptables Maß beschränkt.
§ 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG regelt nicht den Abzug eines Pauschbetrages, sondern die Berücksichtigung eines Freibetrages, wobei die mögliche Steuerbefreiung auf maximal 20.000 EUR begrenzt ist. Liegt der Wert der erbrachten Leistungen unter 20.000 EUR, so ist nur ein Erwerb in dieser Höhe steuerfrei, nicht der darüber hinausgehende Betrag. Der Freibetrag ist erwerberbezogen ausgestaltet, d. h. eine Pflege durch mehrere Personen wäre möglich.
2.12.2 Pflege- bzw. Unterhaltsleistung
Rz. 188
Die Pflege bzw. der Unterhalt des Erwerbers muss von einer gewissen Regelmäßigkeit und Dauer gewesen sein, über ein übliches Maß der zwischenmenschlichen Hilfe hinausgehen und im allgemeinen Verkehr einen Geldwert haben. Einmalige Botengänge oder unter Nachbarn übliche Erledigungen sind nicht ausreichend. Das FG Niedersachsen hat mit Urteil vom 26.06.2019, ErbStB 2019, 344, eine nachträglich gezahlte "Vergütung" für zuvor erbrachte nachbarschaftliche Hilfeleistungen sogar als Schenkung angesehen, die nicht der Einkommensteuer unterliegt. Unterhaltsleistungen beinhalten bspw. die Finanzierung der Lebenshaltung, auch durch Erbringung von Naturalleistungen (Unterkunft, Verpflegung). Wichtig ist, dass zumindest eine Glaubhaftmachung möglich ist. Der Begriff der Pflege an sich wurde in der Vergangenheit sehr unterschiedlich aufgefasst. Mit Urteil vom 11.09.2013, BStBl I 2014, 114 definierte der BFH Pflege i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG als die regelmäßige und dauerhafte Fürsorge für das körperliche, geistige oder seelische Wohlbefinden einer wegen Krankheit, Behinderung, Alters oder eines sonstigen Grundes hilfsbedürftigen Person. Dabei reicht es für die Gewährung der Steuerbefreiung aus, dass die Pflege des Erblassers durch seine Hilfsbedürftigkeit veranlasst war. Es ist – mangels fehlender Gesetzesformulierung – nicht erforderlich, dass der Erblasser pflegebedürftig i. S. d. § 14 Abs. 1 SGB XI und einer Pflegestufe nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI zugeordnet war. Zu den Pflegeleistungen zählen – in Anlehnung an die in § 14 Abs. 4 SGB XI angeführten Hilfeleistungen – die Unterstützung und Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege (z. B. Waschen, Duschen, Kämmen), der Ernährung (z. B. Zubereiten und Aufnahme der Nahrung), der Mobilität (z. B. selbständiges Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung) und der hauswirtschaftlichen Versorgung (z. B. Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung). Dazu gehören aber auch weitere, nicht von § 14 Abs. 4 SGB XI erfasste Hilfeleistungen, wie die Erledigung von Botengängen und schriftlichen Angelegenheiten, Besprechungen mit Ärzten, Vorsprachen bei Behörden sowie die seelische Betreuung des Erblassers. Gerade bei hilfsbedürftigen Personen kann es erforderlich sein, dass sie einen Ansprechpartner ihres Vertrauens haben, an den sie sich mit ihren Anliegen wenden können.
Rz. 189
Das Vorliegen von Pflegeleistungen kann lt. BFH nicht davon abhängig gemacht werden...