2.2.1 Allgemeines
Rz. 35
Begünstigt sind Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive.
Diese Gegenstände sind zu 60 % (Buchst. a) begünstigt, sofern
- die Erhaltung wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt,
- die jährlichen Kosten i. d. R. die Einnahmen übersteigen und
- die Gegenstände in entsprechendem Umfang den Zwecken der Forschung oder Volksbildung nutzbar gemacht werden.
- Gleiches gilt für Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz (wenn räumlich abgrenzbar), nur dass hier dank der Ergänzung durch das ErbStRG ab dem 01.01.2009 eine Befreiung zu 85 % greift.
- Zu 100 % (Buchst. b) sind diese Gegenstände begünstigt, sofern
- die Voraussetzungen des Buchst. a erfüllt sind und
- die Bereitschaft vorhanden ist, die Gegenstände den geltenden Bedingungen der Denkmalpflege zu unterstellen und
- sich die Gegenstände seit mindestens 20 Jahren im Besitz der Familie befinden oder in dem Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes oder in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes nach § 7 Abs. 1 Kulturgutschutzgesetz vom 31.07.2016 in der jeweils geltenden Fassung eingetragen sind.
- Unklar ist, ob sich die Gegenstände ausschließlich im Allein- oder Miteigentum befinden müssen, oder ob auch der Erwerb über eine vermögensverwaltende GbR oder KG begünstigt ist (bejahend s. Reich, BB 2016, 2908).
Rz. 36
Vorstehende Grundvoraussetzungen werden auf Richtlinienebene durch R E 13.2 Abs. 1 Satz 1 ErbStR konkretisiert:
- Die Gegenstände müssen sich im Inland, in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat des EWR (Ausweitung durch die ErbStR 2011 auf den EU-/EWR-Bereich) befinden und
- dort für mindestens zehn Jahre verbleiben.
Laut Finanzverwaltung ist eine vorübergehende Ausstellung im Ausland für die Erhaltung der Befreiung unschädlich (s. H E 13.2 "Ausstellung in einem Land außerhalb der EU oder des EWR" ErbStH).
Die Befreiung gilt für sämtliche Vermögensarten. Dabei nennt R E 13.2 Abs. 1 Satz 4 ErbStR als Beispiel für einen Teil eines Grundbesitzes ein Schloss oder eine Burg, die zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehören. Praxisnäher wäre wohl eher das Wohngebäude eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes.
Die Steuerbefreiung soll u. a. die verminderte Leistungsfähigkeit des Erben ausgleichen.
2.2.2 Öffentliches Interesse und Nutzbarmachung
Rz. 37
Der Grundvoraussetzung des Nachweises bezüglich des öffentlichen Interesses aufgrund der Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft sowie der Nutzbarmachung zu Forschungszwecken oder zur Volksbildung kann i. d. R. durch ein Gutachten der landesrechtlich zuständigen Behörde erbracht werden (z. B. in Baden-Württemberg nach der Verwaltungsreform zum 01.01.2005 vom Landesamt für Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Stuttgart). Bei Denkmälern gilt der Nachweis als gegeben, sofern sie in die Denkmalliste oder ein entsprechendes Verzeichnis eingetragen sind. Die FinVerw hat in ihrem gleichlautenden Ländererlass vom 19.08.2020 klargestellt, dass nicht zwingend eine Eintragung in eine Denkmalliste erforderlich sei, da auch ohne hoheitlichen Akt ein Denkmal gegeben sein könne. Entscheidend sei die Bereitschaft, den Gegenstand oder die Sammlung den geltenden Bestimmungen der Denkmalpflege zu unterstellen, selbst wenn bspw. bewegliche Gegenstände je nach maßgebendem Landesdenkmalschutzgesetz nicht unter Schutz gestellt werden könnten. In manchen Ländern wird der Schutz an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die über die allgemeine Denkmaleigenschaft hinausgehen. Bspw. in Hessen muss es sich um einen beweglichen Gegenstand handeln, dessen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Ort historisch begründet ist und dessen Verbleib an Ort und Stelle im öffentlichen Interesse liegt.
Bezüglich der Nutzbarmachung zur Volksbildung ist bspw. keine dauerhafte Ausstellung einer Kunstsammlung erforderlich, mehrere gelegentliche Leihgaben an Museen etc. dürften ausreichend sein. Dabei können die steuerbefreiten Gegenstände grundsätzlich auch im Privatbereich des Erwerbers verwahrt werden (mit Einschränkungen vgl. BFH vom 24.05.2016, BFH/NV 2016, 1253, worin das Gericht die beantragte Gemeinnützigkeit einer Stiftung u. a. deswegen ablehnte, weil der Stifter durch die Lagerung von auf die Stiftung übertragenen Kunstobjekten in seiner Wohnung bzw. in der Nähe liegenden Räumlichkeiten weiterhin mittelbar über diese Gegenstände verfüge) und müssen lediglich auf Anforderung jederzeit zur Verfügung gestellt werden. Das Leihverhältnis muss dabei tatsächlich gelebt und vollzogen werden (vgl. BFH vom 12.05.2016, BFH/NV 2016, 1385).
Bei gem. § 32 GrStG grundsteuerlich begünstigtem Grundbesitz (Erlass möglich für Kulturgüter und Grünanlagen) kann eventuell auf das von der Gemeinde eingeholte Gutachten zurückgegriffen werden (s. Eisele in T/E, § 32 Rn. 4).
Rz. 38
Des Weiteren müssen die befreiten Gegenstände entsprechend der gesetzlichen Befreiungsvorschrift in einem "den Verhältnissen entsprechenden Umfang […] nutzbar gemacht werden". Hierbei sind verschiedene Interessen wie die der Allgemei...