Rz. 40
Damit eine freigebige Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegt, muss neben dem objektiven Tatbestand auch dessen subjektiver Tatbestand erfüllt sein. Letzterer ist im Gesetz nicht ausdrücklich umschrieben, ergibt sich aber – zumindest andeutungsweise – aus dem Begriff der Freigebigkeit der Zuwendung sowie der Nähe der freigebigen Zuwendung zur zivilrechtlichen Schenkung. Während die zivilrechtliche Schenkung allerdings gerade im subjektiven Bereich das Wissen und Wollen beider Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit der Leistung erfordert (Weidenkaff in Grüneberg, § 516 BGB Rn. 11), ist für eine freigebige Zuwendung ausreichend, dass der Zuwendende sich der Freigebigkeit (Unentgeltlichkeit) seiner Zuwendung bewusst ist. Ansonsten bestehen zwischen zivilrechtlicher Schenkung und freigebiger Zuwendung keine Unterschiede. Die geringeren subjektiven Anforderungen bei der freigebigen Zuwendung ergeben sich aus der Überlegung, dass die freigebige Zuwendung der umfassendere Begriff ist und in seiner Funktion als Auffangtatbestand bereits dann eingreifen soll, wenn die bei der zivilrechtlichen Schenkung geforderte Einigung über die Unentgeltlichkeit mangels eines übereinstimmenden Vertragswillens nicht zustande kommt, beim Zuwendenden aber gleichwohl der subjektive Wille zur Freigebigkeit gegeben ist (Gebel in T/G/J/G, § 7 Rn. 18).
Rz. 41
Über die Einzelheiten, die in subjektiver Hinsicht für die Annahme einer freigebigen Zuwendung vorliegen müssen, ist in der Vergangenheit viel diskutiert worden. Teilweise hält die Diskussion auch noch bis heute an (Einzelheiten s. Rn. 448 ff.). Der BFH (Urteil vom 02.03.1994, BStBl II 1994, 366; vom 14.06.1995, BStBl II 1995, 609) und sich anschließend die Finanzverwaltung (R E 7.1 Abs. 3 ErbStR) lassen in subjektiver Hinsicht genügen, dass sich der Zuwendende bewusst ist, ohne rechtliche Verpflichtungen bzw. Verknüpfung mit einer Gegenleistung oder einem Gemeinschaftszweck zu leisten. Danach ist ein auf die Bereicherung des Erwerbers gerichteter Wille des Zuwendenden im Sinne einer Bereicherungsabsicht nicht erforderlich. Der Verzicht auf dieses subjektive Tatbestandserfordernis hat insbesondere Bedeutung im Bereich der ehebedingten unbenannten Zuwendungen (hierzu s. Rn. 460 und s. Rn. 518) sowie im Bereich von Zuwendungen auf dem Gebiet des Geschäfts- und Wirtschaftslebens (hierzu s. Rn. 463 und s. Rn. 570 ff.).
Rz. 42
Wie allgemein bei der Feststellung subjektiver Tatbestände liegt auch hier die Problematik in deren Erkennbarkeit. So handelt es sich bei der Frage der subjektiven Freigebigkeit der Zuwendung um eine innere Tatsache des Zuwendenden, die nicht unbedingt nach außen in Erscheinung treten muss. Gleichwohl können gewisse äußere Umstände auf das Vorliegen solcher inneren Tatsachen schließen lassen. Der BFH nimmt daher hinsichtlich der Feststellung der subjektiven Seite eine bis zu einem gewissen Grade verobjektivierte Sichtweise ein. Danach ist der Wille zur Unentgeltlichkeit auf der Grundlage der dem Zuwendenden bekannten Umstände nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen festzustellen (BFH vom 12.07.1979, BStBl II 1979, 631; vom 10.09.1986, BStBl II 1987, 80; vom 02.03.1994, BStBl II 1994, 366, 369). Dies hat zur Folge, dass aufgrund äußerer Umstände anhand der Verkehrsüblichkeit auf das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes geschlossen werden kann. Dieser wird beim Vorliegen entsprechender äußerer Umstände prima facie unterstellt. Es liegt sodann am Zuwendenden darzulegen, dass die Prima-facie-Vermutung in seinem Fall nicht zutreffend ist. In der Praxis bedarf es hierfür eines substantiierten Tatsachenvortrags.
Rz. 43–45
vorläufig frei