Der selbständige Arzt A (Einnahme-Überschussrechnung) verstirbt unmittelbar nach der Behandlung des Privatpatienten P am 02.01.21 (Honoraranspruch: 10.000 EUR). Er hinterlässt neben Aktivvermögen im Wert von 1 Mio. EUR auch Einkommensteuer-Schulden aus der Veranlagung des Jahres 19 i. H. v. 0,8 Mio. EUR (z. B. wegen Aberkennung einer Abschreibungsbeteiligung). Erben sind die Ehefrau EF (ansehnliches Eigenvermögen) und das einzige Kind, Tochter T.
Lösung:
1. Verfahrensrechtliche und schuldrechtliche Überlegungen:
EF und T rücken, wenn sie die Erbschaft nicht ausschlagen, in verfahrensrechtlicher (und nach h. M. auch in materiell-rechtlicher) Hinsicht in die Rechtsstellung des A ein. Danach trifft die Einkommensteuerschuld aus 19 unmittelbar die Erben (s. § 45 AO). Vergleichbar der Regelung in §§ 1967ff. BGB haftet dem Fiskus für die Erstattung der 0,8 Mio. EUR bis zur Annahme nur der Nachlass, nach Annahme auch der (die) einzelne(n) Erbe(n). Nehmen EF und T die Erbschaft an (dies ist der Fall, wenn sie nicht binnen der Sechs-Wochen-Frist die Erbschaft ausschlagen), so haften EF und T auch mit ihrem eigenen Vermögen für die Steuerverbindlichkeit des B. Erschwerend kommt hinzu, dass sowohl das Zivilrecht (s. §§ 2058ff. BGB) als auch das Steuerrecht (s. § 44 AO) für diesen Fall Gesamtschuldnerschaft angeordnet haben, sich der Fiskus demnach wegen seiner Ansprüche an beiden Erbinnen in voller Höhe schadlos halten kann. EF und T haben jedoch die Möglichkeit der nachträglichen Nachlassverwaltung bzw. der Nachlassinsolvenz (§§ 1975 ff. BGB), die auch steuerlich anzuerkennen ist (s. § 45 Abs. 2 Satz 1 AO). Wegen des positiven Saldos (1 Mio. EUR ./. 800 TEUR) ist beiden Erbinnen dennoch die Annahme zu empfehlen.
2. Einkommensteuer bzgl. des Honorars:
Noch vor der Diskussion des Schuldenabzugs muss allgemein geprüft werden, ob der Honoraranspruch des A aus der freiberuflichen ärztlichen Leistung am 02.01. 21 als Erwerb von Todes wegen bei EF und T zu erfassen ist. Zwar handelt es sich einkommensteuerlich noch um einen Leistungsbeitrag des Erblassers; nach § 24 Nr. 2, 2. Alt. EStG haben jedoch EF und T den in 18 zufließenden Honoraranspruch (s. § 4 Abs. 3 EStG) des B als eigene nachträgliche Einkünfte (s. §§ 24, 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) in 21 mit ihren persönlichen Steuermerkmalen zu versteuern. Die bis einschließlich 1998 hierauf gewährte Einkommensteuer-Ermäßigung nach § 35 EStG ist ersatzlos ab 01.01.1999 weggefallen. An ihre Stelle ist ab 2009 die Steuerermäßigungsvorschrift des § 35b EStG getreten: Danach bewirkt § 35b EStG bei Einkünften, die doppelt erfasst werden (z. B. noch nicht zugeflossene Forderungen des Erblassers, die dem Erben zufließen und von ihm zu versteuern sind), eine Ermäßigung der ESt um die hierauf entfallende fiktive ErbSt).
3. (Einkommensteuer-)Schuldenberücksichtigung bei der Erbschaftsteuer:
Die Einkommensteuer-Nachzahlungsschuld (0,8 Mio. EUR) geht zwar auf die Erben über, hat ihre Entstehung nach §§ 2, 36 EStG dem Erblasser B zu verdanken und ist von daher zweifellos eine Erblasserschuld und somit grundsätzlich nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzuziehen. Zu beachten ist aber, dass die Einkommensteuerschulden des Todesjahres gem. R E 10.8 Abs. 3 ErbStR nicht als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigungsfähig sind, da sie erst mit Ablauf des 31.12. des Todesjahres entstehen und deren Abzugsfähigkeit das rechtliche Bestehen der Schulden im Todeszeitpunkt voraussetzt (vgl. auch § 36 Abs. 1 i. V. m. § 25 Abs. 1 EStG). Eine weitere Ausnahme ist wegen des sog. "wirtschaftlichen Zusammenhanges" nur für Betriebsschulden zu machen, die bereits bei der Wertermittlung des Gewerbebetriebs (s. § 95 BewG) bzw. des Freien Berufs (s. § 96 BewG) nach § 12 Abs. 5 ErbStG abgezogen wurden – und demzufolge in dem Steuerwert von 1 Mio. EUR bereits enthalten sind. Im konkreten Fall liegen jedoch bei einem Arzt keine abzugsfähigen Betriebsschulden (wie die Umsatzsteuer- oder Gewerbesteuerschuld) vor. Die nachgeforderte Einkommensteuerschuld von 0,8 Mio. EUR ist uneingeschränkt abzugsfähig.