Rz. 40
§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG ist nur auf aufschiebende Bedingungen anwendbar. Eine Bedingung i. S. d. §§ 158 ff. BGB ist die durch Parteiwillen in ein Rechtsgeschäft eingefügte Bestimmung, die die Rechtswirkungen des Geschäfts von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig macht. Dies Ereignis wird auch Bedingung genannt. Bei der aufschiebenden Bedingung hängt der Eintritt, bei der auflösenden Bedingung das Fortbestehen der Rechtswirkungen von dem zukünftigen Ereignis ab (Ellenberger in Grüneberg, Einf. vor § 158 Rn. 1). Auch wenn das als Bedingung gestellte Ereignis von der freien Willensbestimmung eines Beteiligten abhängt, gilt dieses Ereignis als aufschiebend bedingter Erwerb. Das bedeutet, dass auch Potestativbedingungen und Optionsrechte entsprechend behandelt werden. Anders sieht es bei im Erbfall noch nicht erteilten Genehmigungen aus, denn hier ist die nach Genehmigungserteilung erforderliche zivilrechtliche Rückwirkung auch erbschaftsteuerrechtlich nachzuvollziehen (vgl. Fischer in F/P/W, § 9 Rn 31).
Unter einer auflösenden Bedingung entsteht die Steuer sofort und zwar gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 5 Abs. 1 BewG ohne Berücksichtigung der Bedingung. Erst bei Eintritt der Bedingung ist dann eine Korrektur gem. § 5 Abs. 2 BewG möglich.
Erblasser E hat seine Kinder als Erben eingesetzt und seiner Ehefrau F das gemeinsam bewohnte Haus vermacht. Im Falle einer Wiederheirat hat die F das Haus an die Erben herauszugeben.
Lösung:
Für F stellt die Klausel eine auflösende Bedingung dar. Sie muss daher das Vermächtnis der Erbschaftsteuer unterwerfen, ohne dass die Wiederverheiratungsklausel dabei berücksichtigt wird (s. § 5 Abs. 1 BewG). Mit dem Eintritt der Bedingung, also der erneuten Heirat der F kann diese den Antrag stellen, dass ihre Erbschafsteuer nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen ist (s. § 5 Abs. 2 BewG). Nach h. M. ist dies der Wert der verbrauchten Substanz zuzüglich des Kapitalwerts der Erträge, der nach § 13 ErbStG auf den Zeitraum der tatsächlichen Nutzung zu berechnen ist (s. Götz in S/L, BewG, § 5 Rn. 6).
Rz. 41
Der Anwendungsbereich wird außerdem dadurch begrenzt, dass eine aufschiebend bedingte Erbeinsetzung wie eine Anordnung von Vor- und Nacherbschaft zu behandeln ist. Ist in so einem Falle kein Vorerbe benannt, so werden die gesetzlichen Erben Vorerben. Für die Vor- und Nacherbschaft enthält § 6 ErbStG eine spezielle Regelung, die die Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG ausschließt (s. Geck in FS Korn, 557, 560).
Erblasser E hat seine Ehefrau F als Alleinerbin eingesetzt. Das Testament des E enthält eine Wiederverheiratungsklausel, nach der an Stelle der F der Neffe N Erbe werden soll, wenn die F noch einmal heiratet. Zehn Jahre nach dem Tod des E heiratet F erneut.
Lösung:
F ist Vorerbin geworden. Sie muss daher den Nachlass der Erbschaftsteuer unterwerfen, ohne dass die Wiederverheiratungsklausel dabei berücksichtigt wird (s. § 6 Abs. 1 ErbStG). Sie kann die Steuer dem Nachlass entnehmen (s. § 20 Abs. 4 ErbStG). Der N muss bei Bedingungseintritt den Nachlass vom E stammend versteuern (§ 6 Abs. 3 ErbStG). Dabei kann N die Steuer der F anrechnen, soweit diese nicht auf die tatsächliche Bereicherung der F entfällt.
Rz. 42
Auch auf angeordnete auflagenbelastete Erwerbe ist § 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG nicht anwendbar. Da Auflagen erst bei Vollziehung durch den Beschwerten versteuert werden müssen (s. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG), ist § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG bei Bedingungen, die sich auf den Erwerb an sich beziehen, nur auf Vermächtnisse anwendbar. Stehen diese unter einer aufschiebenden Bedingung, so sind diese vom Vermächtnisnehmer zunächst nicht zu versteuern. Korrespondierend damit können sie beim Beschwerten zunächst gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 6 Abs. 1 BewG nicht abgezogen werden (s. Gottschalk in T/G/J/G, § 9 Rn. 37; a. A. ohne die Nichtanwendbarkeit von § 6 Abs. 1 BewG zu erläutern: Geck in FS Korn, 557, 561). Bei Bedingungseintritt kommt es dann jedoch zu einer Stichtagsdivergenz, da die Steuer für den Vermächtnisnehmer erst mit dem Eintritt der Bedingung entsteht, der Erwerb also auf diesen Stichtag zu bewerten ist und auch die Rechtslage bzgl. Freibeträgen etc. vom Stichtag des Bedingungseintritts entscheidend ist. Die Lasten sind hingegen beim Beschwerten so zu behandeln, als ob sie schon im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld angefallen wären (s. BFH vom 27.06.2006, BFH/NV 2006, 1845).
Erblasser E hat in seinem Testament bestimmt, dass seine Tochter T im Falle einer Heirat ein ihm gehörendes Grundstück erhalten soll. Der Steuerwert des Grundstücks beträgt beim Tod des E 600.000 EUR, bei der Heirat der T drei Jahre später 700.000 EUR.
Lösung:
Beim Tod des E muss die T keinen Erwerb versteuern, die Erben können keine Vermächtnisschulden abziehen. Im Zeitpunkt der Heirat der T muss diese dann das Grundstück mit dem Steuerwert zu diesem Zeitpunkt, also 700.000 EUR, verst...