Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Rz. 12
Besteht der Erwerb von Todes wegen aus nicht steuerbaren Versorgungsbezügen, mindern diese i. H. ihres Kapitalwerts den besonderen Versorgungsfreibetrag (§ 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG).
Der Kapitalwert ist nach § 14 BewG zu ermitteln (vgl. auch die entsprechende BewG-Kommentierung). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BewG ist der Kapitalwert von lebenslänglichen Leistungen mit dem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Dem Vervielfältiger wird nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BewG die jeweils aktuelle Sterbetafel des Statistischen Bundesamts zugrunde gelegt. Dabei wird von einem Zinssatz von 5,5 % und dem Mittelwert zwischen dem Kapitalwert für jährlich vorschüssige und jährlich nachschüssige Zahlungsweise ausgegangen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 BewG). Um die praktische Anwendung zu erleichtern, wird das BMF ermächtigt, die sich aus der jeweils aktuellen Sterbetafel ergebenden Vervielfältiger im BStBl zu veröffentlichen (§ 14 Abs. 1 Satz 4 BewG):
- Für Bewertungsstichtage ab dem 01.01.2019: BMF vom 22.11.2018 (BStBl I 2018, 1306).
- Für Bewertungsstichtage ab dem 01.01.2020: BMF vom 02.12.2019 (BStBl I 2019, 1288).
- Für Bewertungsstichtage ab dem 01.01.2021: BMF vom 28.10.2020 (BStBl I 2020, 1048).
- Für Bewertungsstichtage ab dem 01.01.2022: BMF vom 04.10.2021 (BStBl I 2021, 1821).
Rz. 13
Bei der Berechnung des Kapitalwerts der Versorgungsbezüge ist von der Höhe der jährlichen Bruttobezüge auszugehen, die dem Hinterbliebenen unmittelbar nach dem Tod des Erblassers gezahlt werden (R E 17 Abs. 3 Satz 1 ErbStR). Handelt es sich dabei um Versorgungsrenten aus der Sozialversicherung, ist grds. auf den Rentenbetrag abzustellen, der dem Berechtigten nach Ablauf des Sterbevierteljahrs zusteht. Dieser Betrag kann den Rentenberechnungen der Rentenversicherungsträger entnommen werden. Künftige Änderungen der Höhe dieser Bezüge sind nur zu berücksichtigen, sofern sie schon zum Todeszeitpunkt des Erblassers mit Sicherheit absehbar sind.
Zusätzliche Leistungen wie z. B. das 13. Monatsgehalt sind zu berücksichtigen.
Rz. 14
Anzurechnen sind nach R E 17 Abs. 3 Satz 5 ErbStR auch Einmalbeträge wie Sterbegelder, Kapitalabfindungen, Abfindungen bei Wiederverheiratung nach § 107 SGB VI und Beitragserstattungen bei nicht erfüllter Wartezeit nach § 210 SGB VI). Auch eine erbschaftsteuerfreie Versicherungssumme (Einmalzahlung) aus einer betrieblichen Direktversicherung des Erblassers mindert den Versorgungsfreibetrag des überlebenden Ehegatten. § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG fordert zwar nicht eine Kürzung des Versorgungsfreibetrags um Einmalbeträge, sondern nur eine Kürzung "um den nach § 14 BewG zu ermittelnden Kapitalwert". Der Zweck der Vorschrift fordert aber eine Kürzung unabhängig von der Zahlungsweise der Versorgungsleistung, also auch bei Leistungen in einem einzigen Betrag oder auf eine bestimmte Zeit (BFH vom 02.07.1997, BStBl II 1997, 623; R E 17 Abs. 2 ErbStR).
Witwer W (78 Jahre alt) erbt im Januar 2021 von seiner verstorbenen Ehefrau 600.000 EUR Bargeld und eine nicht steuerbare Beamtenpension mit einem Jahreswert von 35.000 EUR.
Lösung:
Der Erwerb der 600.000 EUR unterliegt der Erbschaftsteuer, die Beamtenpension nicht. Der steuerpflichtige Erwerb ermittelt sich wie folgt:
Bargeld: 600.000 EUR ./. 500.000 EUR Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG = 100.000 EUR
Beamtenpension: Der Versorgungsfreibetrag nach § 17 Abs. 1 Satz 1 ErbStG i. H. v. 256.000 EUR ist um den Kapitalwert der nicht erbschaftsteuerbaren Versorgungsbezüge zu kürzen. Der Kapitalwert der Beamtenpension berechnet sich wie folgt:
35.000 EUR × 7,291 (§ 14 Abs. 1 BewG i. V. m. BMF vom 28.10.2020, BStBl I 2020, 1048) = 255.185 EUR
Gekürzter Freibetrag nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG: 256.000 EUR ./. 255.185 EUR = 815 EUR
Abgerundeter steuerpflichtiger Erwerb: 100.000 EUR ./. 815 EUR = 99.100 EUR
ErbSt Witwer W = 11 % nach § 19 Abs. 1 ErbStG: 10.901 EUR
Rz. 15
Soweit die privaten Versorgungsbezüge nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG (Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 BGB) der Erbschaftsteuer unterliegen, mindern sie folgerichtig nicht den besonderen Versorgungsfreibetrag. § 17 ErbStG wird auch durch die Einbeziehung der privaten Hinterbliebenenbezüge in die Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung(R E 5.1 Abs. 4 ErbStR) nicht berührt. Der Versorgungsfreibetrag ist deshalb auch nicht um den Teil der Versorgungsbezüge zu kürzen, der als Zugewinnausgleich im Ergebnis erbschaftsteuerfrei bleibt. Die Vorschrift in § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist insoweit nicht anzuwenden (H E 17 ErbStH).