Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Rz. 9
In notariellen Übergabeverträgen und Schenkungsverträgen werden – vor allem bei Grundstücksübertragungen – vielfach Pflegeverpflichtungen im Bedarfsfall vereinbart. Die Pflegeleistung stellt schenkungsteuerlich eine Gegenleistung für die Grundstücksübertragung dar (Einzelheiten s. § 7 ErbStG Rn. 358 ff.). Da der Grundstückserwerber erst im Bedarfsfall zur Pflege des Berechtigten verpflichtet ist, liegt insoweit eine aufschiebend bedingte Last vor, die nach § 6 Abs. 1 BewG vor Eintritt der Bedingung nicht zu berücksichtigen ist. Die Pflegeverpflichtung bleibt deshalb zum Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung außer Ansatz (s. a. BFH vom 07.06.1989, BStBl II 1989, 814).
Rz. 10
Pflegeleistungen liegen vor, wenn sie regelmäßig und über eine längere Dauer zu erbringen sind, über ein übliches Maß der zwischenmenschlichen Hilfe hinausgehen und im allgemeinen Verkehr einen Geldwert haben. Zu den Pflegeleistungen zählen z. B. die Unterstützung und Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege (Waschen, Duschen, Kämmen), der Ernährung (Zubereiten und Aufnahme der Nahrung), der Mobilität (selbstständiges Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung) und der hauswirtschaftlichen Versorgung (Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung) oder auch die Erledigung von Botengängen und schriftlichen Angelegenheiten, Besprechungen mit Ärzten, Vorsprachen bei Behörden sowie die seelische Betreuung des Schenkers.
Rz. 11
Pflegeleistungen können erst dann berücksichtigt werden, wenn der Pflegefall tatsächlich eingetreten ist und der Erwerber die Leistungen erbringt. Bei der Schenkungsteuer liegt ab diesem Zeitpunkt eine gemischte Schenkung vor. Die Pflegeverpflichtung wird hierbei mit ihrem Kapitalwert im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer für die Zuwendung (§ 11 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) angesetzt. Entsprechendes gilt, wenn sich der Umfang der zu erbringenden Pflegeleistungen nachträglich ändert. Der Schenkungsteuerbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern (BFH vom 07.06.1989, BStBl II 1989, 814). Vom Eintritt des Pflegefalles kann grds. erst dann ausgegangen werden, wenn der Berechtigte pflegebedürftig i. S. d. § 15 SGB XI ist. Die Voraussetzungen für die Pflegestufe I müssen erfüllt sein. Liegen diese nicht vor, hat der Erwerber im Einzelfall in geeigneter Weise zu belegen, dass bereits Pflegeleistungen erforderlich sind und er seiner Verpflichtung nachkommt.
Rz. 12
Der Kapitalwert der vom Erwerber zu erbringenden Pflegeleistungen bestimmt sich nach den gesamten Umständen des konkreten Einzelfalls, insb. den vertraglich vereinbarten Leistungen. Es bestehen nach Auffassung der FinVerw (H E 7.4 Abs. 1 "Übernommene Pflegeleistungen als Gegenleistungen" ErbStH) keine Bedenken, wenn für erbrachte Leistungen ein pauschaler Satz von 11 EUR je Stunde angesetzt wird; dieser Betrag ist auf den Jahreswert hochzurechnen. Dieser Betrag ergibt sich aus dem Mittelwert des Verhältnisses der derzeit gesetzlich festgelegten monatlichen Pauschalvergütung bei Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen (§ 36 Abs. 3 SGB XI) zu dem jeweiligen Zeitaufwand für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 15 Abs. 3 SGB XI), aufgerundet auf einen vollen Eurobetrag. Der pauschale Satz ist anzusetzen unabhängig davon, ob und wenn ja in welcher Pflegestufe die zu pflegende Person eingestuft ist. Diese Beträge sind zu kürzen, soweit die pflegebedürftige Person Pflegegeld aus der Pflegeversicherung oder einer Pauschalbeihilfe nach den Beihilfevorschriften erhält und diese zu Lebzeiten an die verpflichtete Pflegeperson weitergibt. Die Weitergabe selbst ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 9a ErbStG von der Schenkungsteuer befreit. Dem Erwerber steht es frei, einen höheren Wert seiner Leistungen nachzuweisen.
Der Kapitalwert ist auf den Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) abzuzinsen. Der Vervielfältiger für die Abzinsung ist der Tabelle 1 des Kapitalisierungserlasses vom 10.10.2010 (BStBl I 2010, 810) zu entnehmen.
Rz. 13–14
vorläufig frei