Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Rz. 15
Bei Nutzungen und Leistungen, deren Jahreswert ungewiss ist (wenn auf die Erzielung von Erträgen ausgerichtet) oder (bedeutend) schwankt, ist als Jahreswert der Betrag (Nettowert, Ausgaben sind zu berücksichtigen) anzusetzen, der nach den Verhältnissen zum Bewertungsstichtag (§ 11 i. V. m. § 9 ErbStG) im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt wird (Zukunftsschätzung). Dabei kann nach Auffassung des BFH (Urteil vom 05.06.1970, BStBl II 1970, 594; Urteil vom 02.07.1971, BStBl II 1971, 678; Urteil vom 11.02.1972, BStBl II 1972, 448 und BFH-Beschluss vom 06.05.2009, II B 14/09, BeckRS 2009, 25015095) vom Durchschnitt der Leistungen in den drei Jahren vor dem maßgebenden Feststellungszeitpunkt ausgegangen werden, wenn nach den Verhältnissen des Feststellungszeitpunkts nicht zu erwarten ist, dass die Höhe der Leistungen sich in Zukunft anders gestalten wird (bei Verlusten ist damit im Einzelfall u. E. auch ein Jahreswert von 0 EUR möglich). So kann man u. E. bspw. bei einem Nießbrauch an einem Betrieb den Jahreswert im Wege des vereinfachten Ertragswertverfahrens (§§ 199 ff. BewG; insb. § 201 Abs. 2 Satz 1 BewG) – vom Durchschnittsertrag der letzten drei Jahre ausgehend – berechnen.
Bei Vorliegen besonderer Umstände, z. B. bei starken Schwankungen oder Verlustjahren, kann u. E. auch auf einen längeren Zeitraum abzustellen sein (z. B. vier Jahre, BFH vom 28.05.2019, BStBl II 2020, 326).
Bei der Schätzung des Durchschnittswerts können ausnahmsweise auch Ereignisse berücksichtigt werden, die in nicht allzu langer Zeit nach dem Bewertungsstichtag eingetreten sind (R B 13 Satz 4 ErbStR).
Rz. 16
§ 15 Abs. 3 BewG wird i. d. R. zur Anwendung kommen, wenn der Nießbrauch an einem Betrieb bewertet werden muss. Auch bei einem Nießbrauch an einem GmbH-Geschäftsanteil ist die Vorschrift heranzuziehen; vgl. Götz (ZEV 2019, 571), der sich detailliert mit der Jahreswertermittlung befasst und dabei verschiedene Fallkonstellationen beleuchtet.
Rz. 17
Die Anwendung des § 15 Abs. 3 BewG (oftmals aufwendige Ermittlung) wird sich durch die (steuerliche) Begrenzungsvorschrift nach § 16 BewG auf wenige Fälle beschränken.
Rz. 18
Die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel für (in der Zukunft zu erbringende) Nutzungen oder Leistungen führt nicht dazu, dass diese nach den maßgeblichen Verhältnissen am Stichtag in ihrem Betrag als ungewiss oder schwankend anzusehen sind. Es liegen vielmehr am Stichtag dem Grund und der Höhe nach fest vereinbarte Verpflichtungen vor. Lediglich in Zukunft (= zu späteren Stichtagen) können sich diese der Höhe nach (nach unten oder oben) möglicherweise verändern, wenn bestimmte, aber ungewisse Ereignisse eintreten (Veränderung des Geldwerts). Dies ist jedoch erst dann zu berücksichtigen, wenn ein derartiges ungewisses Ereignis eingetreten ist (§ 4 ff. BewG).
Rz. 19
Beim Erwerb eines mit einem Erbbauzinsanspruch verbundenen Grundstücks richtet sich dessen Bewertung nach § 13 Abs. 1 BewG; der Jahreswert richtet sich in diesem Fall nach dem zivilrechtlichen Anspruch auf den Erbbauzins, wie er zum Beurteilungsstichtag tatsächlich besteht (BFH vom 29.08.2018, BFH/NV 2019, 44 Nr. 1). Nach § 15 Abs. 3 BewG ist als Jahreswert der voraussichtliche künftige Durchschnittswert anzusetzen, wenn Nutzungen oder Leistungen in ihrem Betrag ungewiss sind oder schwanken. Die Indexierung eines Erbbauzinsanspruchs über die Lebenshaltungskosten gehört jedoch nicht zum Anwendungsbereich dieser Vorschrift, weil nach den maßgeblichen Verhältnissen am Stichtag die Verpflichtungen nach Grund und Höhe fest vereinbart sind und sich lediglich in Zukunft verändern können, wenn bestimmte, aber ungewisse Ereignisse eintreten. Diese werden nach dem Rechtsgedanken der §§ 4 bis 7 BewG erst berücksichtigt, wenn sie eingetreten sind.