Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Rz. 15
Die FinVerw ist der Auffassung (R B 198 Abs. 4 Satz 1 ErbStR), dass auch ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück als Nachweis des geringeren Verkehrswerts dienen kann (vgl. dazu auch BFH vom 02.07.2004, BStBl II 2004, 703). Für Bewertungsstichtage nach dem 22.07.2021 (§ 265 Abs. 12 BewG) ist dies durch den Gesetzgeber im Wege des Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetzes (GrStRefUG) vom 16.07.2021 (BGBl I 2021, 2931) in § 198 Abs. 3 BewG nunmehr gesetzlich verankert. Voraussetzung dabei ist, dass die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen zum Bewertungsstichtag unverändert sind. Ist ein Kaufpreis außerhalb dieses Zeitraums im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen und sind die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen zum Bewertungsstichtag unverändert geblieben, so kann auch dieser als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts dienen. Es bestehen keine Bedenken, diesen Wert regelmäßig ohne Wertkorrekturen als Grundbesitzwert festzustellen (R B 198 Abs. 4 Satz 2 und 3 ErbStR). Diese verwaltungseigene Regelung wurde nicht durch das GrStRefUG aufgenommen, sollte jedoch u. E. durch die entsprechende Regelung in den ErbStR weiterhin Geltung haben.
Rz. 16
Das Erfordernis eines zeitnah – innerhalb eines Jahres – erzielten Kaufpreises ergibt sich daraus, dass die Indizwirkung eines Kaufpreises für den gemeinen Wert mit zeitlichem Abstand zum Bewertungsstichtag nachlässt. Grundstücksverkäufe, die eine wesentlich längere Zeit als ein Jahr zurückliegen, bilden im Allgemeinen keine geeignete Grundlage zur unmittelbaren Ableitung des gemeinen Werts. Die durch zeitlichen Abstand zum maßgeblichen Bewertungsstichtag nachlassende Indizwirkung des Kaufpreises für den gemeinen Wert kann jedoch durch ein Gutachten des Gutachterausschusses zur Entwicklung der Bodenwerte und durch unveränderte erzielte Jahresmieten ausgeglichen werden. Wird der Nachweis durch einen nach fast drei Jahren im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten Kaufpreis für ein bebautes Grundstück durch eine gutachterliche Äußerung des Gutachterausschusses für Grundstückswerte ergänzt, aus der sich ergibt, dass die Bodenwerte seit dem maßgeblichen Bewertungsstichtag unverändert geblieben sind, und ist auch die für § 146 Abs. 2 BewG a. F. (jetzt § 186 Abs. 1 Satz 1 BewG) maßgebliche erzielte Jahresmiete gleich geblieben, so ist nach BFH vom 02.07.2004 (BStBl II 2004, 703) die Schlussfolgerung, dass der Kaufpreis dem gemeinen Wert zum Bewertungsstichtag entspricht, nach Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen möglich (insoweit u. E. auch kein Verstoß gegen das Stichtagsprinzip).
Rz. 17
Im Zusammenhang mit der Frage, welchem Wert bei zeitgleichem Vorliegen eines Kaufpreises und eines Gutachtenwerts der Vorzug zu geben ist, führt die OFD Münster aus (Vfg. vom 14.12.2011, Kurzinfo Grundbesitzbewertung 4/2011):
- Weist der Steuerpflichtige einen niedrigeren gemeinen Wert durch ein Sachverständigengutachten nach, so ist das FA nicht gehindert, die Erkenntnisse aus einem innerhalb eines Jahres erfolgten Grundstücksverkauf, bei dem ein höherer Preis als im Gutachten genannt, erzielt wurde, zu berücksichtigen und den Grundbesitzwert i. H. d. erzielten Kaufpreises festzustellen. Ist der Kaufpreis außerhalb des Jahres nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommen, gilt Vorstehendes entsprechend, soweit sich die maßgeblichen Verhältnisse gegenüber den Verhältnissen zum Stichtag nicht verändert haben.
- Diese Entscheidung basiert auf dem Gedanken, dass beim Vorliegen sowohl eines vom Steuerpflichtigen beigebrachten Sachverständigengutachtens als auch eines zeitnahen Grundstückskaufvertrags beide Beweismittel für eine Überzeugungsbildung heranzuziehen sind. Bei der Wertung sind auch weitere Erkenntnisse, die durch eigene Ermittlungstätigkeit des Bearbeiters gewonnen werden, bei der Rechtsfindung zu berücksichtigen. Der bei einer Veräußerung an einen fremden Dritten erzielte Kaufpreis für ein WG liefert den sichersten Anhaltspunkt für den Wert (gemeiner Wert bzw. Verkehrswert nach § 9 BewG) des WG. Der nach den Regeln von Angebot und Nachfrage frei ausgehandelte Marktpreis für ein WG bietet die beste Gewähr dafür, den wahren Wert eines WG abzubilden. Die Wertermittlung durch einen Gutachter stellt demgegenüber stets eine Schätzung dar.
- Ist der nach dem Stichtag durch Veräußerung an einen fremden Dritten erzielte Kaufpreis niedriger als der Gutachtenwert, ist der Grundbesitzwert ebenfalls i. H. d. erzielten Kaufpreises festzustellen, soweit sich die maßgeblichen Verhältnisse gegenüber den Verhältnissen zum Stichtag nicht verändert haben.
Rz. 18
Mit Verfügung vom 12.03.2014 (S 3229.1.1 – 1/2 St 34) erläutert das Bayerische Landesamt für Steuern, dass eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO jedoch nicht in Betracht kommt, wenn der Verkauf des Grundstücks erst nach der abschließenden Entscheidung des für die ...