Rz. 59
Freigebige Zuwendungen im Familienkreis stellen in der Praxis den Hauptanwendungsbereich des § 7 ErbStG dar. Typische Fälle hierfür sind zivilrechtliche Schenkungen und unbenannte Zuwendungen zwischen Ehegatten, Vermögensübertragungen der Eltern auf die Kinder/Schwiegerkinder sowie Übertragungen auf sonstige Familienangehörige (s. hierzu auch Unger/Dreßler, NWB-EV 2017, 212). Probleme bei der Feststellung der Zuwendungsbeteiligten ergeben sich im familiären Kreis oftmals zum einen daraus, dass – im Unterschied zum Geschäftsleben – Vermögensübertragungen beinahe regelmäßig nicht ausreichend dokumentiert werden, zum anderen aber auch dadurch, dass faktisch gemeinsame Vermögensmassen und Vermögenseinheiten – zumindest zwischen Ehegatten und auch dann, wenn keine Gütergemeinschaft, also gemeinschaftliches Vermögen (im Einzelnen hierzu s. § 4 Rn. 5 ff.) besteht – vorhanden sind (s. hierzu auch BFH vom 29.06.2016, BStBl II 2016, 865; Loose; ErbR 2017, 546; Götz, ZEV 2017, 77). Der nachfolgende Fall aus der Praxis veranschaulicht dies instruktiv.
Die Eheleute M und V leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft und möchten ein Grundstück, das sie hälftig zu Eigentum besitzen, zu gleichen Teilen auf ihre Tochter T und ihren Sohn S übertragen.
Erläuterung:
Fraglich kann hier sein, ob beispielsweise V seinen Eigentumsanteil an S überträgt und M ihren Eigentumsanteil an T, also zwei Schenkungen vorliegen, oder ob V die Hälfte seines Anteils jeweils an S und T überträgt und M ebenfalls die Hälfte ihres Anteils jeweils S und T zukommen lässt. In diesem Fall liegen vier Schenkungen vor.
Die Beantwortung dieser Frage hat durchaus Auswirkungen auf die anfallende Schenkungsteuer, da der persönliche Freibetrag des § 16 ErbStG für jede einzelne Schenkung gewährt wird, solange kein Fall des § 14 ErbStG vorliegt. Liegen also im vorliegenden Fall vier Schenkungen vor, ist der persönliche Freibetrag des § 16 ErbStG (400.000 EUR) viermal zu gewähren und insgesamt ein steuerfreier Vermögensübergang bis zu 1,6 Mio. EUR möglich. Liegen demgegenüber nur zwei Schenkungen vor, kann § 16 ErbStG nur zweimal in Anspruch genommen werden, so dass insgesamt nur 800.000 EUR steuerfrei übertragen werden können.
Rz. 60
In der Praxis kann aber auch der umgekehrte Fall gewünscht sein. Dies z. B. dann, wenn eine Übertragung an verheiratete Kinder stattfindet. Dann ist es günstig, wenn nur die Kinder beschenkt werden, nicht aber auch die Schwiegerkinder. Ggf. können Letztere (ebenfalls steuerbegünstigt nach § 16 ErbStG) im Wege einer Kettenschenkung (hierzu Rn. 270 ff.) von ihren Ehegatten weiterbeschenkt werden. Bei nicht eindeutiger Regelung im Schenkungsvertrag sind insbesondere dann "Nachfragen" der Finanzverwaltung zu erwarten, wenn weitere Indizien vorliegen, die eine Zuwendung an die Schwiegerkinder vermuten lassen könnten, z. B. wenn der kaufmännisch versierte Schwiegersohn bereits im zu übertragenden Betrieb Geschäftsführungsfunktionen wahrnimmt. Vgl. hierzu auch den instruktiven Sachverhalt und die Beweiswürdigung im Urteil des FG München vom 15.06.2011 (EFG 2011, 1816).
Rz. 61
Hinweis: Bei Schenkungen der Eltern an ihre Kinder sollte daher bei der Vertragsgestaltung auf eine klare Regelung geachtet werden, aus der sich eindeutig ergibt, dass beispielsweise im oben genannten Beispiel vier Schenkungen vorliegen und nicht nur zwei.
Rz. 62
Einzelheiten zu Fragestellungen bei Zuwendungen im Kreis der Familie wie beispielsweise Und- bzw. Oder-Konten, Minderjährigenproblematik, Zuwendungen bei Gütergemeinschaft s. Rn. 517 ff.
Rz. 63–65
vorläufig frei