2.4.1 Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs
Rz. 80
Der Pflichtteilsanspruch entsteht nach § 2317 Abs. 1 BGB mit dem Tod des Erblassers für Abkömmlinge des Erblassers, dessen Ehe- oder Lebenspartner und dessen Eltern, sofern diese durch eine Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind oder sie gem. der Verfügung von Todes wegen weniger als ihren Pflichtteil erhalten (s. § 3 Rn. 271). Er verjährt innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis vom Erbfall und der beeinträchtigenden Verfügung von Todes wegen (s. § 2332 Abs. 1 BGB). Schon aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 ErbStG ergibt sich, dass der Pflichtteil nicht in jedem Fall der Besteuerung unterworfen wird, sondern nur im Fall seiner Geltendmachung. Dementsprechend bestimmt § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG, dass die Steuer in diesem Fall auch erst mit der Geltendmachung des Pflichtteils entsteht und nicht schon mit dem Tod des Erblassers. Macht der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil nicht geltend, so entsteht auch keine Steuer. Damit honoriert der Gesetzgeber, dass anerkennenswerte Gründe aus Sicht der Pflichtteilsberechtigten dafür sprechen können, den Pflichtteil nicht geltend zu machen, insbesondere die Respektierung des letzten Willens des Erblassers. Der Pflichtteilsberechtigte soll sich nicht aus steuerlichen Gründen dazu entschließen, den Pflichtteil geltend zu machen. Es wird kein erbschaftsteuerlicher Tatbestand verwirklicht. Durch § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG wird der ausdrückliche Verzicht auf die Geltendmachung der stillschweigenden Unterlassung einer Geltendmachung gleichgestellt (vgl. Lohr/Görges, DStR 2011, 1939, 1941).
Rz. 81
Geltendmachung bedeutet, dass der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Pflichtteilsverpflichteten erkennbar ernstlich auf der Erfüllung seines Anspruchs besteht. Eine Bezifferung des Anspruchs ist nicht erforderlich, ebenso wenig führt jedoch das Verlangen auf Auskunftserteilung gem. § 2314 BGB für sich alleine schon dazu, dass der Anspruch geltend gemacht wird. Entscheidend ist, ob der Pflichtteilsberechtigte zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens bereits zum Ausdruck gebracht hat, den noch zu berechnenden Anspruch auch zu fordern, oder ob er sich die Entscheidung darüber zunächst noch vorbehalten hat (s. BFH vom 19.07.2006, BStBl II 2006, 718).
Rz. 82
Pflichtteilsberechtigter und -verpflichteter können sich darauf einigen, dass der Pflichtteilsberechtigte auf die Geltendmachung seines Pflichtteils verzichtet und stattdessen eine Abfindung erhält. In diesem Fall hat der Pflichtteilsberechtigte die Abfindung als vom Erblasser kommend gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG zu versteuern und der Erbe kann die Abfindung gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG als Kosten zur Erlangung des Erwerbs abziehen (s. § 10 Rn. 247). Diese Regelung ist jedoch nur möglich, wenn der Anspruch nicht bereits zuvor geltend gemacht worden ist. Ist der Anspruch geltend gemacht worden, ist dies eine Vereinbarung zwischen Pflichtteilsberechtigten und -verpflichteten dergestalt, dass die Abfindungszahlung – unabhängig von ihrer Höhe – als Zahlung an Erfüllungs statt für den Pflichtteilsanspruch geleistet wird. Die Höhe der Steuerschuld bemisst sich nach der Höhe des Pflichtteilsanspruchs (s. BFH vom 07.10.1998, BStBl II 1999, 23). Ist der Pflichtteil zuvor noch nicht geltend gemacht worden und treffen Pflichtteilsberechtigter und Pflichtteilsverpflichteter eine Vereinbarung darüber, dass statt des Geldes ein bestimmter Gegenstand an Erfüllungs statt übertragen werden soll, so ist auch dies eine Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs (s. Hannes/Holtz in M/H/H, § 9 Rn. 35). Das FG Rheinland-Pfalz vertritt dagegen die Ansicht, der Begriff der Geltendmachung sei eher restriktiv auszulegen, um so den Steuerpflichtigen nicht die Anwendung von § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG zu versperren (s. FG Rheinland-Pfalz vom 10.12.2001, DStRE 2002, 459). Nicht jede Diskussion über den Pflichtteil wird man daher schon als dessen Geltendmachung ansehen können.
Rz. 83
Macht der Pflichtteilsberechtigte den ganzen Pflichtteil geltend und gibt sich später mit einem Teilbetrag zufrieden, so muss er den vollen Pflichtteil der Erbschaftsteuer unterwerfen, da der Steueranspruch bereits entstanden ist. Zusätzlich liegt im Verhältnis zum Pflichtteilsverpflichteten i. H. d. Verzichts auch noch eine steuerpflichtige Schenkung unter Lebenden vor (vgl. Schmid, ZEV 2015, 387, 388; Löhr/Görges, DStR 2011, 1939, 1941), da § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nur den Verzicht auf einen noch nicht geltend gemachten Pflichtteil von der Steuer befreit. Anders ist die Lage dann, wenn Erbe und Pflichtteilsberechtigter sich über die Höhe des Pflichtteils ernsthaft streiten und im Vergleichswege zu einem niedrigeren Wert kommen. In diesem Fall ist der niedrigere Wert der Abfindungszahlung anzusetzen (s. BFH vom 19.07.2006, BStBl II 2006, 718).
Rz. 84
Umstritten ist die Frage, wie eine teilweise Geltendmachung des Pflichtteils zu behandeln ist. Unproblematisch ist der Fall, in dem der Pflichtteilsberechtigte von vornherein zum Ausdruck bringt, dass er neben de...