Rz. 40
Steuererstattungsansprüche des Erblassers sind nach § 37 Abs. 2 AO zu berücksichtigen, wenn sie rechtlich entstanden sind. § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG a. F. wurde durch das ErbStRG eingefügt, um klarzustellen, dass Steuererstattungsansprüche auch dann anzusetzen sind, wenn sie noch nicht durch einen Steuerbescheid festgestellt worden sind (ebenso zur davor bestehenden Rechtslage schon BFH vom 05.03.1997, BFH/NV 1997, 551).
Durch die damalige Einfügung wurde hingegen nicht die Streitfrage gelöst, ob ein Anspruch bei der Erbschaftsteuer anzusetzen ist, wenn ein Steuererstattungsanspruch gegeben ist, jedoch ein falscher bereits bestandskräftiger Steuerbescheid vorliegt, der diesen ausschließt. In seinem Urteil vom 16.01.2008 ist der BFH zur früheren Rechtslage davon ausgegangen, dass die Ansprüche zwar nicht durchsetzbar seien, die Durchsetzbarkeit aber keine Voraussetzung für den Ansatz sei und Steuererstattungsansprüche daher stets mit ihrem materiell-rechtlich zutreffenden Wert der Erbschaftsteuer unterliegen (s. BFH vom 16.01.2008, ZEV 2008, 206). Dies ist für jene Konstellationen problematisch, in denen nicht nur ein bestandskräftiger Steuerbescheid vorliegt, sondern auch keine Änderungsvorschrift eingreift, da dann der Steuerbescheid endgültig der Geltendmachung des Anspruchs entgegensteht und der Anspruch damit keinen wirtschaftlichen Wert hat. Der BFH hat jedoch im gleichen Urteil auch entschieden, dass es sich um betagte Ansprüche i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG handelt. Da somit die Steuer auf diese Ansprüche erst mit der Abrechnung im geänderten Steuerbescheid entsteht (s. § 9 Rn. 60), ist die Frage für die Praxis bedeutungslos.
Rz. 41
Problematisch war nach Streichung von § 25 Abs. 2 EStG der Ansatz von Einkommensteuererstattungsansprüchen aus dem Kalenderjahr des Todes des Erblassers, da die Einkommensteuer gem. § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht, und Veranlagungszeitraum gem. § 25 Abs. 1 EStG nunmehr stets das Kalenderjahr ist. Wird der Erblasser mit seinem überlebenden Ehegatten zusammen veranlagt, so entsteht die Steuer unzweifelhaft erst mit dem Ende des Kalenderjahres (vgl. dazu FG Münster vom 19.04.2007, UVR 2007, 261). Das Wahlrecht für die Veranlagungsart liegt beim überlebenden Ehegatten (Seeger in Schmidt, EStG, § 26 Rn. 16).
Rz. 42
Für den Zeitraum bis 29.12.2020 galt mithin nach ErbStR 2011 vom 19.12.2011: Einkommensteuererstattungsansprüche aus Veranlagungszeiträumen, die vor dem Todeszeitpunkt des Erblassers endeten, sind mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahrs entstanden und gehören mit dem materiell-rechtlich zutreffenden Wert zum steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 1 ErbStG (R E 10.3 Abs. 2 ErbStR 2011). Einkommensteuererstattungsansprüche aus dem Veranlagungszeitraum, in den der Todeszeitpunkt des Erblassers fällt, entstehen erst mit Ablauf des Kalenderjahrs und gehören daher nicht zum steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 1 ErbStG (s. R E 10.3 Abs. 3 ErbStR 2011).
Dies ist nun jedoch durch die Neufassung des § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG durch Gesetz vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) geändert und eindeutig geregelt: Entsprechend der BFH-Rspr., die einerseits nach dem Urteil vom 16.01.2008 (BStBl II 2008, 626) Einkommensteuererstattungsansprüche, die das Todesjahr des Erblassers betrafen, für Erwerbe ab dem 01.01.2009 nicht in den stpfl. Erwerb nach § 10 Abs. 1 ErbStG zählten, weil sie erst mit Ablauf des Todesjahres entstünden, und andererseits nach dem Urteil des BFH vom 04.07.2012 (BStBl II 2012, 790) vom Erblasser herrührende Steuerschulden für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als abzugsfähig behandelten, war eine Ungleichbehandlung entstanden. Während Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt wurden, blieben Steuererstattungsansprüche bei der Ermittlung des stpfl. Erwerbs außen vor. Dies wurde nun durch die Neufassung des § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG geändert. Es erfolgt eine einheitliche Behandlung von Ansprüchen und Schulden. Auch die Steuererstattungsansprüche aus dem Todesjahr des Erblassers sind als "vom Erblasser herrührende" Ansprüche zu berücksichtigen.
Aufgrund der Gesetzesänderung dürften für Fälle mit Besteuerungsstichtag ab dem 29.12.2020 die R E 10.3 Abs. 3 Satz 2 ErbStR und H E 10.3 "Steuererstattungsansprüche für den Veranlagungszeitraum, in den der Todeszeitpunkt des Erblassers fällt" ErbStH nicht mehr anzuwenden sein. Hier wird eine Korrektur der Verwaltungsanweisungen erwartet.
Rz. 43
Das bis Ende 2007 (s. BFH vom 17.12.2007, ZEV 2008, 199) bestehende Recht des Erwerbers, Verluste des Erblassers gem. § 10d EStG zum Abzug zu bringen, ist hingegen kein zu erfassender (Verrechnungs-)Anspruch, da die Frage, ob und in welcher Höhe ein Anspruch entsteht, von den persönlichen Verhältnissen des Erblassers abhängt (hierzu s. § 3 Rn. 52 ff.).