Rz. 316
Die dogmatischen Fragen, die sich bei der Einordnung der gemischt-freigebigen Zuwendung ergeben, reichen bis ins Zivilrecht und sind bis heute noch nicht endgültig gelöst. Die Einheitstheorie geht davon aus, dass es sich bei der gemischt-freigebigen Zuwendung (gemischte Schenkung) zivilrechtlich um einen einheitlichen Vertrag handelt, der mehrere gesetzliche Vertragstypen (im Regelfall Kauf und Schenkung) enthält. Infolge der Einheitlichkeit des Vertragswerks sei eine Zerlegung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil nicht möglich. Die Trennungstheorie sieht dies anders. Sie geht von der Möglichkeit einer Zerlegung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aus. Zivilrechtliche Bedeutung hat dieser Theorienstreit für die Frage, inwieweit die einzelnen Rechtsnormen der jeweiligen Vertragstypen (kumulativ) anwendbar sind oder nicht, wobei sich zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, dass hierfür insbesondere auf Parteiwillen und Sinn und Zweck der jeweiligen gesetzlichen Regelungen abzustellen ist (BGH vom 02.07.1990, NJW 1990, 2616, 2620; Weidenkaff in Grüneberg, § 516 BGB Rn. 14).
Rz. 317
Schenkungsteuerlich kann indessen nur entscheidend sein, dass durch das Erbschaftsteuergesetz lediglich Vermögenszuwächse erfasst werden sollen, die in den in § 1 Abs. 1 ErbStG genannten Erwerbs- oder Zuwendungsvorgängen definiert sind. Auf die Frage der Einheitlichkeit oder Trennbarkeit des Vertragswerkes kann daher schenkungsteuerlich nicht abgestellt werden (ebenso Gebel in T/G/J/G, § 7 Rn. 203). Da insoweit auf den Vermögenszuwachs beim Bedachten abzustellen ist, ist zum einen noch unstreitig, dass auch bei der gemischt-freigebigen Zuwendung der Zuwendungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt ist, zum anderen stellt sich damit aber sogleich die Frage nach dem Besteuerungsgegenstand, da nur ein Teil des Zuwendungsgegenstandes von der Besteuerung erfasst wird. Das Erbschaftsteuergesetz erfasst bei einer gemischt-freigebigen Zuwendung lediglich den Wertüberschuss, der sich aus der Differenz zwischen Wert des Zuwendungsgegenstandes und Wert der Gegenleistung ergibt. Dieser Wertüberschuss stellt den Besteuerungsgegenstand dar.
Rz. 318
Die Einheitstheorie führt dann zu unsachgemäßen Ergebnissen, wenn die Bewertung der Zuwendung und die Bewertung der Gegenleistung nach unterschiedlichen Maßstäben erfolgt. Ist Zuwendungsgegenstand z. B. bei der gemischt-freigebigen Zuwendung eines Grundstücks das Grundstück, so ermittelt sich die Bereicherung des Zuwendungsempfängers nach der Einheitstheorie durch Abzug der Gegenleistung. Da aber zur Ermittlung der Schenkungsteuer das Grundstück mit dem deutlich vom Verkehrswert nach unten abweichenden Steuerwert (Einheitswert, Bedarfswert) anzusetzen war, die Gegenleistung jedoch im Regelfall mit dem Nennwert, ergab sich hieraus die Möglichkeit, dass insbesondere Grundstücke unter geringer Schenkungsteuerbelastung oder sogar völlig steuerfrei übertragen werden konnten.
Nachdem der BFH zunächst der Einheitstheorie folgte (Urteil vom 15.07.1964, HFR 1965, 269), hat er mit Urteilen vom 12.12.1979 (BStBl II 1980, 260), vom 21.10.1981 (BStBl II 1982, 83) und vom 14.07.1982 (BStBl II 1982, 714) die Einheitstheorie nicht mehr herangezogen, sondern die Trennungstheorie seiner Betrachtung zugrunde gelegt. Damit zerlegt er die gemischt-freigebige Zuwendung in einen entgeltlichen Teil, der sich schenkungsteuerrechtlich nicht auswirkt, und einen unentgeltlichen Teil, der der Besteuerung zugrunde gelegt wird. Der aus den Verkehrswerten ermittelte Wert des Vermögenszuwachses wird sodann zum Steuerwert ins Verhältnis gesetzt, was ermöglicht, dass keine überproportionale, sondern nur eine verhältnismäßige Berücksichtigung der Gegenleistung stattfindet (BFH vom 16.12.1992, BFH/NV 1993, 298; vom 13.04.2011, DStR 2011, 1076). Die FinVerw ist der BFH-Rspr. zur Trennungstheorie bei gemischt-freigebigen Zuwendungen in R E 17 ErbStR 2003 (für Altfälle bis 31.12.2008) gefolgt. Mathematisch ausgedrückt ergibt sich die Bereicherung des mit einer gemischt-freigebigen Zuwendung Bedachten aus der in R E 17 Abs. 2 ErbStR 2003 wiedergegebenen Berechnungsformel:
Rz. 319
Zur Begründung der damaligen BFH-Auffassung vgl. 2. Aufl., § 7 ErbStG, Rz. 319.
Rz. 320
vorläufig frei
Rz. 321
Die Rspr. des BFH war unter dogmatischen Gesichtspunkten starker Kritik ausgesetzt, wenngleich das Ergebnis, zu dem der BFH gelangt, weitgehend als sachgerecht empfunden wurde (Gebel in T/G/J/G, § 7 Rn. 207). Einzelheiten vgl. 2. Aufl., § 7 ErbStG, Rz. 321.
Rz. 322
Die Wurzel des Problems liegt allerdings nicht in der dogmatischen Herleitung, sondern an einer anderen Stelle. So war man sich in der Literatur (Weinmann in M/W, § 7 Rn. 65; Gebel in T/G/J/G, § 7 Rn. 206; Röder, ZEV 2007, 505) weitgehend einig, dass die Rspr. des BFH zur gemischt-freigebigen Zuwendung in erster Linie mit Rücksicht auf das steuerliche Ergebnis erfolgte. Der BFH wollte vermeiden, dass durch den niedrigen Wertansatz b...