Rz. 417
Ebenso wie bei Personengesellschaften ist auch bei Kapitalgesellschaften die frühzeitige Einbeziehung des potenziellen Unternehmensnachfolgers sinnvoll und wird häufig praktiziert. Infolge der Qualifikation von Kapitalgesellschaften als eigenes Rechtsobjekt i. R.d. ErbStG ist die Rechtslage allerdings komplexer als bei Personengesellschaften, die als transparent behandelt werden.
2.5.4.3.1 Ausgangslage
Rz. 418
Der in den letzten Jahrzehnten wohl am heftigsten diskutierte Bereich der Erbschaftsteuer ist die Behandlung von (disquotalen) Vermögensverschiebungen zwischen den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft. Im Kern ging es dabei um die Frage, ob eine substanzielle Vermögensverschiebung für eine freigebige Zuwendung erforderlich ist (so der BFH in ständiger Rspr., z. B. vom 30.01.2013, BStBl II 2018, 656) oder eine "reflexartige" Werterhöhung des Gesellschaftsanteils der Mitgesellschafter ausreichend ist (so zunächst die FinVerw, R E 18 ErbStR (2003)), sowie um den Umfang von Leistungen aus dem die Unentgeltlichkeit der Zuwendung ausschließenden Gesellschaftsverhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschaftern (verdeckte Gewinnausschüttungen an nahestehende Personen als freigebige Zuwendung; vgl. BFH vom 30.01.2013, BStBl II 2013, 930). Weitere Einzelheiten zur historischen Entwicklung vgl. 3. Aufl., Rn. 418 ff.
Rz. 419
Nachdem Rspr. und FinVerw in diesen Fragen zunächst jeweils auf ihren Standpunkten beharrten und sich gegenseitg mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln befehdeten, scheint zwischenzeitlich ein gewisser "Burgfriede" zwischen Rspr., FinVerw und Gesetzgeber eingetreten zu sein, nachdem die FinVerw mit den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 20.04.2018 (BStBl I 2018, 632), die nunmehr auch in R E 7.5 ErbStR und HE 7.5 ErbStH übernommen wurden, weitgehend der Auffassung des BFH gefolgt ist (nicht allerdings ohne zuvor vom Gesetzgeber die Regelung des § 7 Abs. 8 ErbStG erhalten zu haben). Dies ist insb. im Bereich der Gestaltungsberatung zu begrüßen, da nunmehr wieder Rechtssicherheit in diesem Bereich eintreten kann (zum Wechselspiel zwischen Rspr., Verwaltung und Gesetzgeber vgl. auch Loose, DB 2018, 2327).
Rz. 420–424
vorläufig frei
2.5.4.3.2 Einzelheiten zur aktuellen Rechtslage (R E 7.5 ErbStR und H 7.5 ErbStH)
Rz. 425
In der Folge werden die in R E 7.5 ErbStR und H 7.5 ErbStH festgehaltenen Regelungen im Detail dargestellt, soweit sie Regelungen zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG betreffen. Die § 7 Abs. 8 ErbStG betreffenden Regelungen sind ab Rn. 751 dargestellt.
Rz. 426
Die Anpassung der Verwaltungsauffassung an die BFH-Vorgaben hat zu einer Vielzahl von Einzelregelungen geführt, je nachdem auf welche Art und Weise die Zuwendung des Vermögenswerts gesellschaftsrechtlich in die Kapitalgesellschaft gelangt. Hier sind im Detail vielfältige Besonderheiten zu beachten, da bereits geringfügige Sachverhaltsabweichungen zu anderen Rechtsfolgen führen können. Darüber hinaus hat die FinVerw auch ausführlich geregelt, wie schenkungsteuerrechtliche Fälle von Zuwendungen an Gesellschafter oder nahestehende Personen zu behandeln sind, wobei sie sich auch hier im Grundsatz der Auffassung des BFH (vom 13.09.2017, BStBl II 2018, 292; 2018, 296; 2018, 299) angeschlossen hat.
2.5.4.3.2.1 Disquotale Zuwendungen eines Gesellschafters an die Kapitalgesellschaft
Rz. 427
Bei Einlagefällen geht die FinVerw im Grundsatz entsprechend der ständigen Rspr. des BFH (vgl. BFH vom 19.06.1996, BStBl II 1996, 616; vom 09.12.2009, BStBl II 2010, 566; vom 30.01.2018, BStBl II 2018, 656) davon aus, dass keine (mittelbare) freigebige Zuwendung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zwischen den Gesellschaftern vorliegt. Dies gilt ausdrücklich auch für den Fall der disquotalen Einlage. Unerheblich ist des Weiteren, ob es sich um eine offene oder eine verdeckte Einlage handelt (R E 7.5 Abs. 2 Satz 1 ErbStR).
Rz. 428
Nicht ausdrücklich in R E 7.5 Abs. 2 ErbStR ausgeführt wird allerdings, dass in diesen Fällen auch keine freigebige Zuwendung des Gesellschafters an die Gesellschaft vorliegt. Da bei diesen Gestaltungen allerdings regelmäßig ein Fall des § 7 Abs. 8 ErbStG gegeben ist, besteht für die FinVerw auch kein Bedürfnis mehr, hier § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anwenden zu wollen.
Rz. 429
In der Folge beschreibt R E 7.5 ErbStR mehrere Besonderheiten, die vom beschriebenen Grundsatz abweichen können. Sie orientieren sich insoweit unmittelbar an den ergangenen Einzeljudikaten des BFH:
Besonderheit 1: Erfolgt in zeitlichem Zusammenhang zur (disquotalen) Einlage eines Gesellschafters eine offene oder verdeckte Ausschüttung, dann wird unter Heranziehung der Gesamtplanrechtsprechung eine anteilige freigebige Zuwendung an den anderen Gesellschafter angenommen (R E 7.5 Abs. 2 Satz 3 ErbStR). Diese Annahme scheint zumindest in der Allgemeinheit, wie sie in der Richtlinie vorgesehen ist, fragwürdig. Wird bspw. eine disquotale Einlage geleistet und im zeitlichen Zusammenhang der Gewinn des vergangenen Wirtschaftsjahres an die Gesellschafter ausgeschüttet, so ist nicht ersichtlich, weshalb die Gewinnausschüttung eine freigebige Zuwendung an die anderen Gesellschafter sein soll. Für eine derartige An...