2.6.1 Allgemeines
Rz. 91
Die Steuerbefreiung der Nr. 4b wurde mit dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts eingeführt und ist auf Erwerbe ab dem 01.01.2009 anzuwenden. Inhaltlich wurde die bisher auf den Erwerb unter Lebenden beschränkte Regelung der Nr. 4a bei Ehegatten und Lebenspartnern auch auf Erbfälle zwischen Ehegatten und Lebenspartnern ausgedehnt.
Steuerbegünstigt ist der Erwerb einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung in einem bebauten Grundstück i. S. d. § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG, die
vom Erblasser
- bis zum Erbfall zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde oder
- aus zwingenden Gründen nicht zu Wohnzwecken genutzt werden konnte und
- beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist, außer er ist aus zwingenden Gründen daran gehindert.
Der Ehemann war Alleineigentümer einer Eigentumswohnung, die er zusammen mit seiner Ehefrau bewohnt hat. Mit dem Tode des Ehemannes geht die Wohnung auf seine Ehefrau als Alleinerbin über. Die Witwe nutzt die Wohnung weiterhin zu eigenen Wohnzwecken.
Lösung:
Die von der Ehefrau geerbte Wohnung ist von der Erbschaftsteuer freigestellt.
2.6.2 Zeitpunkt
Rz. 92
Die Voraussetzungen für ein begünstigtes Objekt müssen am Besteuerungsstichtag (Tod des Ehegatten/Lebenspartners) vorgelegen haben.
2.6.3 Begünstigter Personenkreis und Art des Erwerbs
Rz. 93
Die Ausführungen zu Nr. 4a bzgl. des begünstigten Personenkreises (überlebender Ehegatte oder Lebenspartner, s. Rn. 65) gelten für die Nr. 4b Satz 1 entsprechend.
Steuerfrei ist nach Satz 1 der Nr. 4b der Erwerb von Todes wegen (z. B. aufgrund Erbfall, Vermächtnis, Auflage) innerhalb des begünstigten Personenkreises. Dies ist nach erbschaftsteuerlichen Grundsätzen (und nicht nach dem Zivilrecht) zu beurteilen.
Begünstigt ist nach Satz 1 nur die Übertragung von Eigentum (ganz oder teilweise) an einer begünstigten Wohnung (s. Rn. 68) innerhalb des begünstigten Personenkreises. Im Unterschied zu der Steuerbegünstigung der Nr. 4a (s. Rn. 81) ist die ganz oder teilweise Freistellung des Ehegatten/Lebenspartners von einer eingegangenen Verpflichtung im Zusammenhang mit der Anschaffung bzw. Herstellung des Familienheims oder die Übernahme von nachträglichen Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand für ein Familienheim, das den Ehegatten/Lebenspartnern gemeinsam oder dem anderen Ehegatten/Lebenspartner gehört, nicht steuerbefreit.
2.6.4 Begünstigtes Objekt
Rz. 94
Satz 1 der Nr. 4b fordert ein im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes belegenes bebautes Grundstück i. S. d. § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG, wie auch bei der Nr. 4a (s. Rn. 66, 67). Es liegt ein begünstigtes Objekt vor, wenn der Erblasser im Zeitpunkt des Todes noch nicht zivilrechtlicher Eigentümer des Familienheims war, aber bereits wirtschaftliches Eigentum sowie ein Anwartschaftsrecht auf das Volleigentum erworben hat (s. BFH vom 29.11.2017, BStBl II 2018, 362). Wird das Familienheim nach dem Erwerb abgerissen und durch ein neues Gebäude ersetzt, liegt – auch wenn der Abbruch wirtschaftlich sinnvoll ist – kein begünstigtes Objekt mehr vor (FG München vom 22.10.2014, EFG 2015, 236).
2.6.5 Eigene Wohnzwecke des Erblassers
Rz. 95
Der für die Befreiung anzuwendende Wohnungsbegriff entspricht dem der Befreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG (s. Rn. 68 ff.). Die Wohnung muss vom Erblasser selbst zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden (Satz 1), wobei die Grundsätze der Befreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG anzuwenden sind. Die Steuerbefreiung soll entsprechend der Gesetzesbegründung dem Schutz des gemeinsamen familiären Lebensraums der Ehegatten/Lebenspartnern dienen. Eine fehlende Nutzung des Erblassers zu eigenen Wohnzwecken am Besteuerungsstichtag ist gesetzlich nur entschuldbar, wenn der Erblasser aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war. Eine Steuerbefreiung scheidet jedoch aus, wenn der Erblasser niemals selbst in dem vererbten Haus gelebt hat, da sich in diesem Fall darin nicht der "Mittelpunkt des familiären Lebens" befunden haben kann. Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, welche – ggf. zwingenden – Gründe der Aufnahme einer Nutzung durch den Erblasser entgegenstanden (FG Köln vom 27.01.2016, EFG 2016, 584 und FG München vom 24.02.2016, EFG 2016, 731).
2.6.5.1 Zwingende Gründe
Rz. 96
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG ist eine fehlende Eigennutzung zum Besteuerungsstichtag unschädlich, wenn der verstorbene Ehegatte/Lebenspartner nach seinem Einzug später aus zwingenden Gründen wieder an einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war. Diese dürften vorrangig in der Person des Erblassers selbst begründet sein, die Finanzverwaltung geht in R E 13.4 Abs. 2 Satz 2 ErbStR von einer objektiv zwingenden Veranlassung aus.
2.6.5.2 Objektive Gründe
Rz. 97
Ein zwingender objektiver Grund, der beim Erblasser eine fehlende Selbstnutzung rechtfertigen könnte, liegt z. B. bei Unterbringung im Pflege- oder Altenheim aufgrund nachgewiesener körperlicher Gebrechlichkeit vor.
Rz. 98
Weitere denkbare objektive Gründe einer Nichtselbstnutzung des begünstigten Objekts wären:
- Der Wohnungszustand ist nicht für Wohnz...