Rz. 95
Der für die Befreiung anzuwendende Wohnungsbegriff entspricht dem der Befreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG (s. Rn. 68 ff.). Die Wohnung muss vom Erblasser selbst zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden (Satz 1), wobei die Grundsätze der Befreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG anzuwenden sind. Die Steuerbefreiung soll entsprechend der Gesetzesbegründung dem Schutz des gemeinsamen familiären Lebensraums der Ehegatten/Lebenspartnern dienen. Eine fehlende Nutzung des Erblassers zu eigenen Wohnzwecken am Besteuerungsstichtag ist gesetzlich nur entschuldbar, wenn der Erblasser aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war. Eine Steuerbefreiung scheidet jedoch aus, wenn der Erblasser niemals selbst in dem vererbten Haus gelebt hat, da sich in diesem Fall darin nicht der "Mittelpunkt des familiären Lebens" befunden haben kann. Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, welche – ggf. zwingenden – Gründe der Aufnahme einer Nutzung durch den Erblasser entgegenstanden (FG Köln vom 27.01.2016, EFG 2016, 584 und FG München vom 24.02.2016, EFG 2016, 731).
2.6.5.1 Zwingende Gründe
Rz. 96
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG ist eine fehlende Eigennutzung zum Besteuerungsstichtag unschädlich, wenn der verstorbene Ehegatte/Lebenspartner nach seinem Einzug später aus zwingenden Gründen wieder an einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war. Diese dürften vorrangig in der Person des Erblassers selbst begründet sein, die Finanzverwaltung geht in R E 13.4 Abs. 2 Satz 2 ErbStR von einer objektiv zwingenden Veranlassung aus.
2.6.5.2 Objektive Gründe
Rz. 97
Ein zwingender objektiver Grund, der beim Erblasser eine fehlende Selbstnutzung rechtfertigen könnte, liegt z. B. bei Unterbringung im Pflege- oder Altenheim aufgrund nachgewiesener körperlicher Gebrechlichkeit vor.
Rz. 98
Weitere denkbare objektive Gründe einer Nichtselbstnutzung des begünstigten Objekts wären:
- Der Wohnungszustand ist nicht für Wohnzwecke geeignet (z. B. Wasserschaden, Schimmel, Heizungsausfall, Baumängel).
- Der Mieter zieht trotz Kündigung nicht aus.
Ungeklärt ist, ob ein aufgrund von Sozialhilfeleistungen von der entsprechenden Ordnungsbehörde geforderter Umzug oder gar eine Inhaftierung des (künftigen) Erblassers als objektiver Grund anerkannt werden.
2.6.5.3 Subjektive Gründe
Rz. 99
Subjektive (persönliche) Gründe für eine fehlende Selbstnutzung könnten zum Beispiel sein:
- ein beruflich veranlasster Umzug,
- Leerstand der Wohnung während der Woche aufgrund einer beruflichen Pendeltätigkeit,
- vorübergehender auswärtiger Aufenthalt, um ein krankes Kind zu betreuen,
- psychische Belastung aufgrund von Streit in der Nachbarschaft.
Fraglich ist, nachdem das Gesetz in Satz 1 ausdrücklich von "zwingenden" Gründen spricht, ob dies bei rein persönlichen Gründen überhaupt gegeben ist. Die Finanzverwaltung unterstellt entsprechend R E 13.4 Abs. 2 Satz 2 ErbStR allein bei objektiven Gründen eine unschädliche Nichtnutzung.
Rz. 100–105
vorläufig frei