2.8.1 Allgemeines
Rz. 146
Die Befreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG ist in Zusammenhang mit dem grundsätzlich steuerpflichtigen Erwerb des § 10 Abs. 3 ErbStG (s. § 10 Rn. 120) zu sehen. Zivilrechtlich geht bei einer Vereinigung von Rechten und Pflichten die jeweilige Schuld bzw. die jeweilige Forderung unter (sog. Konfusion).
Der Vater gewährt seinem Sohn ein Darlehen von 100.000 EUR zu allgemein üblichen Konditionen. Später verstirbt der Vater, der Sohn wird Alleinerbe.
Lösung:
Durch die Vereinigung des Rechts und der Pflicht beim Sohn (also den Übergang kraft Erbfolge auf ihn als Darlehensgläubiger) erlischt zivilrechtlich seine noch in seiner eigenen Person bestehende Schuld als Darlehensnehmer. Er ist insoweit bereichert.
§ 10 Abs. 3 ErbStG stellt nun klar, dass diese Bereicherung steuerrechtlich entgegen dem Zivilrecht als nicht erloschen gilt und als Erwerb aus dem Erbfall mit dem gemeinen Wert der Darlehensforderung beim Sohn zu versteuern ist.
§ 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG gewährt nun zumindest für einige Varianten derartiger Bereicherung eine Steuerbefreiung. Steuerfrei ist, wenn die – bei der Befreiung bereits bestehende – Schuld
- durch Gewährung von Mitteln zum Zweck des angemessenen Unterhalts oder
- durch Gewährung von Mitteln zum Zweck der Ausbildung begründet wurde oder
- der Erblasser die Befreiung mit Rücksicht auf die Notlage des Schuldners angeordnet hat und diese Notlage auch durch die Zuwendung nicht beseitigt wird.
Die Befreiung der Nr. 5 gilt trotz der Beschränkung im Wortlaut auf den Erblasser über die Generalklausel des § 1 Abs. 2 ErbStG (s. § 1 Rn. 19) auch in Fällen der Schenkung.
2.8.2 Angemessenheitsprüfung bei Unterhaltszahlungen
Rz. 147
Wurde die Schuld aufgrund von Zahlungen für den Unterhalt einer Person begründet, setzt die Steuerbefreiung entsprechend dem Gesetzeswortlaut zusätzlich eine Angemessenheitsprüfung voraus.
Was als angemessen gilt, definiert § 13 Abs. 2 ErbStG (s. Rn. 276) anhand der Vermögensverhältnisse und der Lebensstellung des Bedachten. Wurden Zahlungen für den angemessenen Unterhalt ohne Begründung einer Schuld geleistet – d. h. sofortige Schenkung – greift dafür die Befreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG.
2.8.3 Ausbildung des Bedachten
Rz. 148
Wurde die Schuld aufgrund eines zu Ausbildungszwecken gewährten Darlehens begründet, setzt dies – im Gegensatz zu Unterhaltszahlungen – keine Angemessenheitsprüfung voraus.
Eine Ausbildung umfasst nach dem allgemeinen Verständnis die Vermittlung von Vermögen, Kenntnis und Wissen an einen Menschen beliebigen Alters durch eine ausbildende Stelle, z. B. eine staatliche Schule, eine Universität oder ein privates Unternehmen.
2.8.4 Notlage des Schuldners
Rz. 149
Bezüglich der Befreiung aufgrund einer Notlage des Schuldners muss der Erblasser diese gekannt und aufgrund dessen die Befreiung verfügt haben (Hinweis im Testament empfohlen). Dies setzt voraus, dass sich der Schuldner aus der nicht nur vorübergehenden finanziellen Zwangslage nicht selbst befreien kann. Bloße Überschuldung ist dabei nicht ausreichend, völlige Vermögenslosigkeit jedoch nicht notwendig. Auch sind die Gründe für die Notlage ohne Bedeutung.
Kritisch zu sehen ist die weitere gesetzliche Einschränkung, dass durch den Schulderlass die Notlage des Schuldners nicht beendet sein darf. Ein vollständiger Erlass durch einen Alleingläubiger könnte entsprechend dem Wortlaut zum Verlust der Steuerbefreiung und damit zum Entstehen einer neuen (Steuer-)Schuld führen.
2.8.5 Schulderlass zum Zwecke der Sanierung
Rz. 150
Das FG Rheinland-Pfalz hat in seinem Urteil vom 15.09.2005 (EFG 2005, 1890) bestätigt, dass die Befreiung grundsätzlich auch bei einem Forderungsverzicht zum Zwecke der Sanierung angewendet werden kann. Grundlegende Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass überhaupt eine freigebige Zuwendung vorliegt, ansonsten fehlt es am Bereicherungswillen (z. B. bei einer völlig wertlosen Forderung). Steuerbare Vorgänge dürften somit allenfalls bei persönlichen Motiven, wie z. B. Verwandtschaftsverhältnisse, auftreten. Aktuell wäre auch ein Schuldenerlass in Anbetracht der aktuellen Unwetterereignisse in Deutschland im Juli 2021 denkbar.
Zuwendungen von Gläubigern (nicht nur Forderungsverzichte) zur Sanierung fallen aufgrund des Wortlauts nicht unter die Befreiung.
2.8.6 Betragsmäßige Begrenzung
Rz. 151
Die Befreiung entfällt entsprechend Satz 2, wenn dem Schuldner neben der Befreiung von der Schuld weitere Zuwendungen zufließen, zumindest insoweit, als aus der Hälfte dieser weiteren Zuwendungen die Steuer getilgt werden kann.
Die künftige Erblasserin E hat dem Sohn ihres Lebensgefährten LS während seiner Ausbildung ein Darlehen von insgesamt 50.000 EUR zu einem allgemein üblichen Zinssatz gewährt. Einige Jahre später verstirbt E. Per Testament wird LS aufgrund dessen bestehender finanzieller Notlage die Restschuld des Darlehens i. H. v. 33.000 EUR erlassen, zusätzlich erbt er noch Barvermögen i. H. v. 12.000 EUR.
Lösung:
LS wird bereichert um:
Von dieser ErbSt ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 ErbStG höchstens zu erheben:
Weitere Zuwendung 12.000 EUR × 50 % = 6000 EUR (= fällige ErbSt)
Rz. 152
Die Einschränkung gilt dank der Formulierung "neben" jed...