Rz. 507
Bei freigebigen Zuwendungen im Deckungsverhältnis kann Zuwendender sowohl der Versprechensempfänger als auch der Versprechende sein. So ist im Fall der Tilgung einer fremden Schuld (s. Rn. 493 Beispiel 2, in dem der Vater die Mietschulden seines Sohnes gegenüber dem Vermieter tilgt) der Versprechende (Vater) der Zuwendende und der Versprechensempfänger (Sohn) der Begünstigte. Umgekehrt ist hingegen die Zuwendungsrichtung bei Übergabeverträgen, die als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet sind. Hier ist Zuwendender der Vermögensübergeber und Begünstigter im Deckungsverhältnis der Vermögensübernehmer, wobei Letzterer regelmäßig an einen Dritten, z. B. die Ehefrau des Vermögensübergebers, Versorgungsleistungen oder an sonstige präsumtive Erben, z. B. Geschwister, Gleichstellungsgelder, zu zahlen hat (s. Rn. 493 Beispiel 3).
Rz. 508
Unter Übergabeverträgen sind Verträge zu verstehen, bei denen die Eltern ihr Vermögen oder Teile davon, vornehmlich ihren Betrieb oder privaten Grundbesitz "auf eine oder mehrere Abkömmlinge übertragen und sich dabei einen angemessenen Lebensunterhalt und für die außer dem Übernehmer noch vorhandenen weiteren Abkömmlingen Ausgleichszahlungen ausbedingen" (BFH vom 05.07.1990, BStBl II 1990, 847). Der Übergabevertrag wird zu einem Vertrag im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, wenn sich die Intention des Übergebers dahingehend richtet, einen Zustand bereits zu Lebzeiten herzustellen, der später auch beim Erbfall eintreten würde.
Rz. 509
Wird im Übergabevertrag nur die Versorgung des Vermögensübergebers vereinbart, fehlt es an einem Dreieckverhältnis. Mangels Einbeziehung eines Dritten besteht lediglich eine Rechtsbeziehung zwischen dem Vermögensübergeber und dem Vermögensübernehmer. Zu beachten ist allerdings auch in solchen Fällen, wie die vereinbarten Versorgungsleistungen ausgestaltet sind. Handelt es sich um Nutzungsvorbehalte, also um Nutzungs- oder Duldungsauflagen, so mindern diese die Bereicherung bzw. führen in Altfällen beim Vorliegen von § 25 ErbStG a. F. zu einer zinslosen Steuerstundung. Werden hingegen Versorgungsleistungen und/oder Abstandszahlungen an den Übergeber vereinbart, stellen diese Gegenleistungen dar, die die Zuwendung zu einer gemischten Schenkung machen (BFH vom 02.03.2005, BStBl II 2005, 532). Zu beachten ist im letztgenannten Fall, dass die Versorgungsleistungen ertragsteuerlich kein Entgelt für die Vermögensübergabe darstellen. Sie führen daher weder zu Anschaffungskosten beim Übernehmer noch zu Veräußerungserlösen beim Vermögensübergeber (im Einzelnen s. Rn. 850 ff.).
Rz. 510
Werden hingegen im Übergabevertrag Versorgungsleistungen gegenüber einem Dritten, z. B. der Ehefrau des Vermögensübergebers, vereinbart (Leistungsauflage) oder sind vom Vermögensübernehmer Gleichstellungsgelder an präsumtive Erben, z. B. Geschwister, zu zahlen (Leistungsauflage), so entsteht wieder eine Dreieckskonstellation, da der Übergabevertrag dann einen Vertrag zugunsten Dritter darstellt. Die Besonderheit hierbei ist, dass der Vermögensübergeber sowohl im Deckungsverhältnis (Vermögensübergeber-Vermögensübernehmer) als auch im Valutaverhältnis (Vermögensübergeber-Versorgungsbegünstigter/präsumtiver Erbe) jeweils eine Zuwendung vornimmt. Es liegen also zwei Zuwendungen vor. Mit Erfüllung der Versorgungsleistungen/Zahlung der Gleichstellungsgelder durch den Vermögensübernehmer an den Drittbegünstigten vollzieht sich im Valutaverhältnis (Vermögensübergeber-Versorgungsbegünstigter/präsumtiver Erbe) die Zuwendung. Diese stellt im Deckungsverhältnis (Vermögensübergeber-Vermögensübernehmer) eine Gegenleistung des Vermögensübernehmers für die vom Vermögensübergeber erhaltene Zuwendung dar, mit der Folge, dass eine gemischt-freigebige Zuwendung gegeben ist.
Rz. 511
Hat der Vermögensübernehmer an den Drittbegünstigten Sachleistungen aus dem übernommenen Vermögen oder aus seinem eigenen Vermögen zu erbringen, so ist im Zweifel nach der Auslegungsregel des § 328 Abs. 2 BGB davon auszugehen, dass die Sache, und nicht der durch den Übergabevertrag entstandene Sachleistungsanspruch im Valutaverhältnis zugewendet werden soll. Die Zuwendung ist daher erst mit Übertragung der Sache vom Vermögensübernehmer an den Drittbegünstigen ausgeführt (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG), selbst wenn der Drittbegünstigte ein eigenes Forderungsrecht erwirbt (s. Rn. 498 ff.). Stellt der an den Drittbegünstigten weiterzugebende Vermögensgegenstand Betriebsvermögen dar, ist ertragsteuerlich zu beachten, dass die Übertragung auf den Drittbegünstigten eine Entnahme erfordert, die im Regelfall zu einer Steuerbelastung führt. Diese fließt bei der Ermittlung des entgeltlichen und unentgeltlichen Teils der Zuwendung im Deckungsverhältnis in die Berechnung mit ein und erhöht die für die Vermögensübernahme zu erbringende Gegenleistung entsprechend (Gebel in T/G/J/G, § 7 Rn. 235).
Der verwitwete Vater V schließt 2018 mit seinem Sohn S und seiner Tochter T einen Übergabevertrag im Wege der vorweggenommenen ...