Rz. 130
Die Schenkungsteuer bei einer Schenkung unter Lebenden entsteht gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit der Ausführung der Zuwendung. Obwohl der Tatbestand der Schenkung unter Lebenden eigenständig und ohne Rückgriff auf das Zivilrecht in § 7 ErbStG definiert wird (s. § 7 Rn. 1 ff.), ist nach der Rechtsprechung der Begriff der Ausführung der Schenkung eng mit dem in § 518 Abs. 2 BGB verwendeten Begriff der Bewirkung der versprochenen Leistung verwandt (s. BFH vom 10.03.1970, BStBl II 1970, 562). Im Zivilrecht ist die Bewirkung von Bedeutung, da Schenkungsversprechen oft nicht der vorgeschriebenen notariellen Form genügen, dieser Formmangel aber durch die Bewirkung der Leistung nach § 518 Abs. 2 BGB geheilt werden kann. Regelmäßig ist eine Schenkung dann ausgeführt, wenn es zu einer Vermögensübertragung im Rechtssinne gekommen ist. Das bedeutet, dass das Schenkungsversprechen für sich nicht genügt. Allerdings können Ausführung und Schenkungsversprechen zeitlich zusammenfallen. Dies ist z. B. bei der sog. Handschenkung der Fall. Bei einer Geldschenkung erfolgt dies z. B. mit Übergabe des Geldbetrages oder bei Überweisungen mit der Ausführung des Überweisungsauftrages (FG Münster vom 25.04.2013, ZEV 2014, 330; dieses Urteil ist jedoch vom BFH mit Entscheidung vom 23.06.2015 (ZEV 2015, 654) aufgehoben und zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückverwiesen worden). Auch bei Schenkungen von Forderungen und anderen Rechten wird die Abtretung der Forderung oftmals gleichzeitig mit dem Schenkungsversprechen erfolgen.
Rz. 131
Um feststellen zu können, ob eine Schenkung ausgeführt worden ist, muss zunächst festgestellt werden, was überhaupt der Gegenstand der Zuwendung ist. Von besonderer Bedeutung ist dies bei der mittelbaren Schenkung. Verspricht z. B. der Schenker, die Kosten für die Renovierung eines Hauses zu tragen, so ist die Schenkung mit der Fertigstellung der Renovierung ausgeführt. Schenkt der Schenker einen Geldbetrag zum Erwerb eines Hauses, so kommt es für den Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung auf die Auflassung und Eintragungsbewilligung für das Grundstück an (s. Rn. 150 ff.).
Rz. 132
Da es auf den Zeitpunkt der Vermögensverschiebung ankommt, haben es Schenker und Beschenkter nicht in der Hand, durch eine Rückdatierung einen früheren Steuerentstehungszeitpunkt zu bestimmen (s. Burkhardt, Das Stichtagsprinzip im Schenkungsteuerrecht, Diss. Univ. Augsburg 2004, 41). Auch eine zeitliche Verschiebung nach hinten ist nur begrenzt möglich. Allerdings können Schenker und Beschenkter eine aufschiebende Bedingung oder Befristung vereinbaren und zwar sowohl bezogen auf den Schenkungsvertrag als auch auf den Ausführungsvertrag. In beiden Fällen entsteht die Steuer erst mit Bedingungseintritt oder dem Zeitpunkt der Befristung. Anders ist die Rechtslage hingegen, wenn Gegenstand der Schenkung ein betagter, also noch nicht fälliger Anspruch ist. In Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG hat der BFH entschieden, dass die Regelungen in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG auch beim Erwerb durch Schenkung unter Lebenden zur Bestimmung des Zeitpunkts der Ausführung der Zuwendung gelten (vgl. BFH vom 21.04.2009, BStBl II 2009, 606). Die reine Übertragung eines Anwartschaftsrechts (ohne Verfügungs- und Nutzungsberechtigung) ist generell kein tauglicher Zuwendungsgegenstand i. S. d. ErbStG (vgl. Strnad, ZEV 2012, 394, 397).
Rz. 133
Bei nahen Angehörigen ist es empfehlenswert, eine deutliche Dokumentation der Vollzugshandlungen, z. B. durch Einrichtung eines eigenen Wertpapierdepots (s. BFH vom 06.08.1971, BStBl II 1972, 28) vorzunehmen, um den Verdacht einer Rückdatierung der Schenkung zu vermeiden.
Rz. 134
Hat ein Erblasser einem Bedachten dagegen eine Leistung schenkweise versprochen, ohne dass die hierfür erforderliche Form des § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB eingehalten wurde, und wird dieses formnichtige Schenkungsversprechen nach seinem Ableben durch Bewirkung der versprochenen Leistung aus seinem Vermögen vollzogen und der Formmangel so geheilt, gilt der Erblasser noch als Zuwendender i. S. v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und dennoch entsteht die Schenkungsteuer erst zum Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, obwohl das Vermögen dem Erben und nicht mehr dem Erblasser gehört (BFH vom 23.06.2015, II R 52/13, DStR 2015, 2129).
Rz. 135–139
vorläufig frei