Rz. 100
Steuerschuldner sind bei der Schenkung unter Lebenden sowohl der Schenker als auch der Erwerber (s. § 20 Abs. 1 ErbStG). Diese schulden die Steuer als Gesamtschuldner. Da Rechtfertigung für die Erbschaftsteuer der Gewinn an Leistungsfähigkeit auf Seiten des Erwerbers ist, ist im Innenverhältnis stets der Erwerber zur Übernahme der Schenkungsteuer verpflichtet (so die h. M., s. Hannes/Holtz in M/H/H § 20 Rn. 11; zweifelnd Gebel in T/G/J/G, § 10 Rn. 71). Befreit der Schenker den Beschenkten von dieser Pflicht, so liegt daher eine zusätzliche Bereicherung vor. Dies ergibt sich schon aus den allgemeinen Grundsätzen und wird durch § 10 Abs. 2 ErbStG noch einmal bestätigt.
Rz. 101
Der eigentliche Zweck von § 10 Abs. 2 ErbStG besteht in einer Vereinfachungsregelung, die gleichzeitig eine Begünstigung darstellt. Ohne § 10 Abs. 2 ErbStG würde sich der Erwerb durch die Übernahme der Erbschaftsteuer erhöhen, wodurch eine höhere Steuer entstünde, die wiederum den Erwerb erhöhte usw. Da sich die Steuer auf die Bemessungsgrundlage der Steuer auswirkt, ähnlich wie früher bei der Gewerbesteuer, entstünde eine nicht endende Spirale. Der Stufentarif der Erbschaftsteuer inklusive der Härtefallregelung in § 19 Abs. 3 ErbStG macht es allerdings schwieriger, für diese Berechnung eine allgemeine Formel zu finden. Meyer (StuW 2003, 262) entwickelt zwar eine Formel, geht auf das Problem des Stufensprungs jedoch nicht ein. § 10 Abs. 2 ErbStG beseitigt dieses Problem, indem angeordnet wird, dass nur einmalig die Steuer auf den Erwerb zu berechnen ist, diese dann den Erwerb erhöht und dann die endgültige Steuer berechnet wird.
A schenkt seiner Tochter T ein Grundstück mit einem Steuerwert von 600.000 EUR.
Lösung:
Durch diese Regelung ließen sich insb. bei Geldschenkungen Steuern sparen, indem der Schenker den zu schenkenden Betrag einfach um die vom Erwerber zu zahlende Schenkungsteuer kürzt und diese übernimmt.
A schenkt seinem Neffen N 500.000 EUR.
Lösung:
Der Nettoerwerb von N nach Entrichtung der Steuer beträgt somit 500.000 EUR ./. 144.000 EUR = 356.000 EUR.
A schenkt stattdessen N 356.000 EUR und übernimmt die Steuer.
Lösung:
A muss in diesem Fall also 356.000 EUR + 131.040 EUR = 487.400 EUR aufwenden und spart damit 12.600 EUR bei gleichem Ergebnis für N.
Rz. 102
Diese Gestaltung ist stets vorteilhaft (vgl. hierzu die mathematischen Nachweise bei Korezkij, DStR 1998, 784 zum alten Steuertarif), die Höhe der Steuerersparnis ist dabei unterschiedlich. Der größte Effekt lässt sich erzielen, wenn erreicht wird, dass der Erwerb in eine niedrigere Progressionsstufe fällt.
Rz. 103
Eine bewusste Ausnutzung dieses Effekts stellt keine Steuerumgehung dar. In der Literatur wird vereinzelt die Ansicht vertreten, dass es auch zulässig sei, dass der Schenker bei einer Sachschenkung die Steuer übernimmt und sich diese vom Beschenkten erstatten lässt, in diesem Fall liege eine gemischte Schenkung vor (s. Moench, DStR 1993, 1586 m. w. N.). Zu Recht haben Gebel (T/G/J/G, § 10 Rn. 78) und Wohlschlegel (DStR 1995, 252) darauf hingewiesen, dass in diesem Fall gerade keine Übernahme der Steuer durch den Schenker vorliege, da nicht dieser, sondern der Beschenkte mit der Steuer belastet sei. Jedoch auch wenn eine Zahlung vereinbart wird, die nicht genau dem Schenkungsbetrag entspricht, begegnet dies unter dem Gesichtspunkt von § 42 AO größten Bedenken. Ein vernünftiger wirtschaftlicher Grund dafür, zunächst vom Regelfall der Schenkung abzuweichen, und den Schenker die Schenkungsteuer übernehmen zu lassen, dem Beschenkten gleichzeitig aber eine Zahlungspflicht an den Schenker aufzuerlegen, ist nicht ersichtlich (s. Wohlschlegel, DStR 1993, 1586; so auch Voss, DStR 1993, 1095).
Rz. 104
Neben einer vollständigen Übernahme der Steuer ist auch eine teilweise Übernahme der Schenkungsteuer möglich. Diese löst jedoch nur dann die Folgen des § 10 Abs. 2 ErbStG aus, wenn es sich nicht um einen absoluten Betrag, sondern um einen Bruchteil handelt, den der Schenker zu übernehmen verspricht. Im Fall eines absoluten Betrages besteht nicht das Problem, dass die Steuer die Bemessungsgrundlage bestimmt, so dass für eine Anwendung der Vereinfachungsvorschrift des § 10 Abs. 2 ErbStG kein Raum ist (s. Heinrich, ZEV 2002, 100).
Rz. 105
§ 10 Abs. 2 ErbStG ist auch auf die Übernahme ausländischer Erbschaftsteuer anwendbar und schließt die Anrechnung nach § 21 ErbStG nicht aus (s. Gebel in T/G/J/G, § 10 Rn. 86). Allerdings muss es sich dabei stets um eine der deutschen Erbschaftsteuer vergleichbare Steuer handeln.
Rz. 106
Bei der beschränkten Steuerpflicht i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ist § 10 Abs. 2 ErbStG nicht anzuwenden, da es sich bei der zu übernehmenden Steuerschuld nicht um Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG handelt und insoweit keine beschränkte Steuerpflicht eintritt (vgl. FinMin Bayern vom 17.08.2006, 34 – S 3810 – 027–33.013/06).
Rz. 107
Hinweis: Werden bei einer Schenkung liquide Mittel übertragen, sollte stets geprüft werden, ob di...