Rz. 28
Nach § 6 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 ErbStG gilt der Vorerbe als Vollerbe (s. § 6 Rn. 28 ff.) und ist als Erwerber auch Steuerschuldner i. S. d. § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Die Regelung des § 20 Abs. 4 ErbStG ist für das Verhältnis vom Vorerben zum Nacherben bedeutsam, nicht jedoch für das Steuerrechtsverhältnis (s. Gebel in T/G/J/G, § 20 Rn. 7). Die Regelung ergänzt die bestehenden Steuerschuldnerregelungen und die Regelungen der §§ 2124 und 2126 BGB dahingehend, dass der Vorerbe die für den Vorerbfall entstehende Erbschaftsteuer zulasten des Nacherbes aus den Mitteln der Vorerbschaft entnehmen kann (s. § 6 Rn. 31 sowie Richter/Fischer in V/S/W, § 20 Rn. 18). Dies erstreckt sich jedoch nicht auf ein Entnahmerecht für Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten, auch wenn diese aus der Nichtzahlung der Erbschaftsteuerschuld generiert worden sind (OLG Frankfurt a. M. vom 25.06.2015, BeckRS 2016, 00442). Damit beinhaltet § 20 Abs. 4 ErbStG eine Regelung, die eher auf das bürgerliche Recht als das Steuerrecht abzielt und daher an dieser Stelle im Gesetz systemwidrig wirke, so Bruschke, StB 2016, 342.
Ist jedoch der Vorerbe zwischenzeitlich verstorben, ist die Erbschaftsteuer regelmäßig gegen den Nacherben und nur ausnahmsweise gegen den Erben des Vorerben festzusetzen (BFH vom 13.04.2016, ZEV 2016, 463). Hier wählt der BFH nunmehr eine rein zivilrechtliche Lösung, wonach der Nacherbe gem. § 1967 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten und damit auch für die aufgrund des Vorerbfalls entstandene Steuer haftet. Dies hat zur Folge, dass nach dem Tod des Vorerben der Nacherbe und der Erbe des Vorerben – sofern sie unterschiedlich sind – als Gesamtschuldner jeweils für die gesamte Steuer haften. Nach dem BFH entspricht es dann dem pflichtgemäßen Ermessen, wenn das Finanzamt die Steuer gegen den Nacherben festsetzt (zustimmend Jandl/Kraus, DStR 2016, 2268), die darauf abstellen, dass der Vorerbe die Erbschaftsteuer nicht aus seinem Eigenvermögen entrichten soll, sondern im Rahmen der Ermessensausübung müsse beurteilt werden, wer letztlich über die Substanz der Vorerbschaft verfügen könne.
Anders liegt der Fall bei der gegen einen Vorvermächtnisnehmer festgesetzten Steuer. Der Nachvermächtnisnehmer haftet nach § 1967 BGB in Ermangelung einer Gesamtrechtsnachfolge. Daher kann er nicht für Schulden des Vorvermächtnisnehmers in Anspruch genommen werden (FG Düsseldorf vom 22.11.2016, ZEV 2017, 111).