Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Rz. 17
Der gemeine Wert von nicht notierten Anteilen an KapG ist nach § 11 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. BewG vorrangig aus tatsächlichen Verkäufen unter fremden Dritten – derselben KapG, deren Anteil übergeht (BFH vom 14.10.1966, BStBl III 1967, 82) –, die zum Bewertungsstichtag weniger als ein Jahr zurückliegen, abzuleiten. Die Anzahl der Verkäufe spielt dabei keine Rolle. Es kann auch aus einem einzigen Verkauf abgeleitet werden, wenn Gegenstand des Verkaufs nicht nur ein Zwerganteil ist oder der zu bewertende Anteil ebenfalls nur einen Zwerganteil darstellt, da dieser nur eine geringe Aussagekraft besitzt (dazu auch BFH vom 07.12.1979, BStBl II 1980, 234 und BFH vom 05.03.1986, BStBl II 1986, 591). Ein solcher Zwerganteil kann i. d. R. bei einem Anteilsbesitz von weniger als 5 % bei einer Aktiengesellschaft und von weniger als 10 % bei einer GmbH – jeweils bezogen auf das Nennkapital (Grund- oder Stammkapital, ggf. gemindert um Anteile, die von der KapG selbst gehalten werden; so wohl die Ansicht der FinVerw, hergeleitet aus R B 97.6 Abs. 1 Satz 1 HS 2 ErbStR) – angenommen werden.
Rz. 18
Es dürfen nur Verkaufserlöse berücksichtigt werden, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (Handel nach den wirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage, bei dem die Vertragspartner ohne Zwang und Not, sondern in Wahrung ihrer eigenen Interessen handeln) erzielt worden sind (§ 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 BewG). Dürfen Anteile nach den vertraglichen Regelungen ausschließlich an bestimmte Personen (z. B. Mitglieder eines Familienstamms) veräußert werden, können hierin Verfügungsbeschränkungen bestehen, die nach § 9 Abs. 2 Satz 3 und § 9 Abs. 3 BewG nicht berücksichtigt werden. Der Steuerpflichtige kann in diesem Fall jedoch nachweisen, dass diese Beschränkungen tatsächlich nicht zu einem unter dem gemeinen Wert liegenden Wert geführt haben. Dieser Nachweis muss entsprechend § 11 Abs. 2 Satz 2 und 3 BewG durch Vorlage eines Gutachtens unter Angabe des Substanzwerts geführt werden (R B 11.3 ErbStR).
Rz. 19
Die Ausgabe neuer Geschäftsanteile i. R. einer Kapitalerhöhung zur Aufnahme eines neuen Gesellschafters kann als Verkauf herangezogen werden. Telefonkurse im Bankverkehr, denen nicht lediglich geringfügige Verkäufe ohne echten Aussagewert zugrunde liegen, sind auch grds. für die Wertableitung geeignet (R B 11.2 Abs. 1 Satz 5 ErbStR).
Rz. 20
Verkäufe nach dem Stichtag sind grds.für die Ableitung nicht mehr von Bedeutung. Nach BFH vom 02.11.1988 (BStBl II 1989, 80) sowie vom 11.11.1998 (BFH/NV 1999, 908) ist aber eine Einigung über den Kaufpreis eines kurz nach dem Stichtag abgeschlossenen Verkaufs von Geschäftsanteilen auch dann vor dem Stichtag zustande gekommen, wenn sich die Verhandlungen durch Festlegung eines Preisrahmens so weit verdichtet haben, dass der Kaufpreis durch den Kaufvertrag nur noch dokumentiert werden muss. Auch Kaufpreisminderungen, die erst nach dem Bewertungsstichtag eingetreten sind, will der BFH berücksichtigt wissen, wenn bereits am Bewertungsstichtag die Voraussetzungen eines Minderungsrechts objektiv vorhanden waren und die Minderung später auch tatsächlich vollzogen worden ist (BFH vom 22.01.2009, BStBl II 2009, 444). In einem weiteren Urteil vom 22.06.2010 (BStBl II 2010, 843) entschied der BFH: "Wurden während laufender Verkaufsverhandlungen schenkweise erworbene Anteile an einer KapG kurz nach dem Zeitpunkt der Ausführung der freigebigen Zuwendung veräußert, ist nach dem vor dem Jahr 2009 geltenden Recht ein zu diesem Zeitpunkt bereits vereinbarter Mindestkaufpreis und nicht der nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelte Anteilswert der Bemessung der Schenkungsteuer zugrunde zu legen." Diese Grundsätze dürften u. E. auch i. R.d. von § 11 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. BewG gelten.
Rz. 21
Ist der gemeine Wert einer Anzahl von Anteilen an einer KapG, die einer Person gehören, infolge besonderer Umstände (z. B. weil die Höhe der Beteiligung die Beherrschung der KapG ermöglicht) höher als der Wert, der sich aufgrund der Kurswerte (§ 11 Abs. 1 BewG) oder der gemeinen Werte (§ 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 BewG) für die einzelnen Anteile insgesamt ergibt, so ist der gemeine Wert der Beteiligung maßgebend (§ 11 Abs. 3 BewG). Überträgt demnach ein Gesellschafter mehr als 25 % der Anteile an einer KapG (Sperrminorität; in diesem Fall spricht man nicht mehr nur von einem Anteil, sondern einer Beteiligung) auf einen oder mehrere Erwerber, ist ein Paketzuschlag vorzunehmen (R B 11.8 Abs. 3 ErbStR). Ein solcher Paketzuschlag kommt i. d. R. dann in Betracht, wenn der Wert der Anteile nach § 11 Abs. 1 BewG durch den Kurswert bestimmt (Ausnahmefall, da notierter Aktienbesitz i. d. R. nicht über 25 %) oder der gemeine Wert nach § 11 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. BewG aus Verkäufen abgeleitet (Regelfall) und bei den Verkäufen ein Preis erzielt wurde, der den Beteiligungscharakter der zu bewertenden Anteile nicht berücksichtigt (zum Paktzuschlag bei Anwendung anderer Verfahren vgl. R B 11.8 Abs. 2 Satz 2 ff. ErbStR).
Bei der Entscheidung darüber...