Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Rz. 48
Zur Ermittlung des gemeinen Werts eines nicht notierten Anteils an einer KapG kann auch das (neue) vereinfachte Ertragswertverfahren nach dem BewG angewendet werden. Die Vorschriften für das vereinfachte Ertragswertverfahren befinden sich in einem neuen 6. Abschnitt des 2. Teils des BewG (§ 11 Abs. 2 Satz 4 i. V. m. §§ 199 bis 203 BewG). Sind branchentypisch ertragswertorientierte Verfahren anzuwenden (Regelfall bei größeren KapG), ist eine Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren möglich (§ 199 Abs. 1 BewG). Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass in den Fällen, in denen für nichtsteuerliche Bewertungszwecke regelmäßig Multiplikatoren- oder andere nicht ertragswertorientierte Verfahren zur Anwendung kommen (bspw. bei mittelständischen oder kleinen Unternehmen), das vereinfachte Ertragswertverfahren i. S. d. BewG ausgeschlossen ist.
Rz. 49
Es besteht ein Wahlrecht zur Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens i. S. d. BewG. In einer Art vergleichenden "Vorabbewertung" kann überprüft werden, ob das vereinfachte oder ein branchentypisches Ertragswertverfahren zu einem steuerlich günstigeren Ergebnis führt. Nach der gesetzlich normierten Tatbestandsvoraussetzung des § 199 Abs. 1 BewG darf das vereinfachte Ertragswertverfahren nur dann nicht angewendet werden, wenn es zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt, da dieses Verfahren aufgrund der vorgenommenen Typisierungen und Pauschalierungen dazu führen kann, dass der ermittelte Ertragswert höher oder niedriger als der "echte" gemeine Wert ist (dazu R B 199.1 Abs. 4 bis 6 ErbStR).
Beispiel
M vererbt im Dezember 20 seiner Tochter einen 100 %igen privaten Anteil an der Y-GmbH. T veräußert den Anteil im März 21 für 8 Mio. EUR. Der Wert des BV der GmbH beträgt nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren 4,5 Mio. EUR. Im Zeitraum Dezember 20 bis März 21 sind keine wertbeeinflussenden Veränderungen eingetreten.
Lösung:
Die Bewertung des zum übrigen Vermögen gehörenden GmbH-Anteils erfolgt mit dem gemeinen Wert (da keine Kursnotierung). Auch eine Ableitung aus Verkäufen kommt nicht in Betracht, da der Verkauf nach dem Bewertungsstichtag stattgefunden hat. Die Ermittlung ist auch nicht im vereinfachten Ertragswertverfahren durchzuführen, da dieses zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen würde. Es muss demnach eine Bewertung durch ein gutachterlich erstelltes branchentypisches Ertragswertverfahren erfolgen.
Rz. 50
Die Einzelheiten zum vereinfachten Ertragswertverfahren werden i. R.d. entsprechenden Kommentierung zu den §§ 199 bis 203 BewG dargestellt. Kommt das vereinfachte Ertragswertverfahren bei der Anteilsbewertung zur Anwendung, so sind folgende Besonderheiten zu beachten:
Rz. 51
- Für das der KapG gehörende BV ergibt sich der gemeine Wert nach den §§ 200 bis 203 BewG. Es ist dabei vom ertragsteuerlichen Bilanzgewinn der KapG auszugehen; dabei ist der Ausgangswert i. S. d. § 202 Abs. 1 Satz 1 BewG um (offene) Gewinnausschüttungen zu erhöhen und um Einlagen zu mindern (modifizierter BV-Vergleich, R B 202 Abs. 1 ErbStR).
Die nach § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 BewG vorzunehmenden Korrekturen sind nur auf die KapG zu beziehen. Im Einzelnen:
- Zur Bewertung der Anteile an einer KapG in Sonderfällen vgl. die Ausführungen der FinVerw in R B 11.4 ErbStR und Eisele, NWB 2020, 628).
Weitere Einzelheiten vgl. die Kommentierung zu §§ 199 ff. BewG.
Rz. 52–54
vorläufig frei