Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
3.2.4.1 Allgemeines
Rz. 55
Als Mindestwert wird durch § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG die Summe der gemeinen Werte der zum BV gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum BV gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge (Substanzwert) der KapG festgelegt. Dieser Mindestwert darf durch die angewandte Bewertungsmethode nicht unterschritten werden. Der Substanzwert ist als Mindestwert nur anzusetzen, wenn der gemeine Wert nach dem (vereinfachten) Ertragswertverfahren oder durch ein anderes branchentypisches Bewertungsverfahren ermittelt wird. Wird er hingegen aus tatsächlichen Verkäufen unter fremden Dritten im gewöhnlichen Geschäftsverkehr abgeleitet, ist der Ansatz des Substanzwerts als Mindestwert nach Auffassung der FinVerw ausgeschlossen (R B 11.5 Abs. 1 ErbStR). Dies dürfte u. E. auch bei Börsennotierung gelten.
3.2.4.2 Ansatz der Wirtschaftsgüter
Rz. 56
Die FinVerw hat in R B 11.5 ErbStR Grundsätze aufgestellt, die bei der Berechnung des Mindestwerts Beachtung finden sollen.
Ansatz dem Grunde nach |
- Alle Wirtschaftsgüter sind einbeziehen, die nach §§ 95 bis 97 BewG zum (ertragsteuerlichen) BV am Bewertungsstichtag gehören.
- Aktive und passive Wirtschaftsgüter gehören auch dann dazu, wenn für sie ein steuerliches Aktivierungs- oder Passivierungsverbot besteht. Eine handelsrechtlich gebotene Rückstellung (z. B. Drohverlustrückstellung), die steuerlich nicht passiviert werden darf (§ 5 Abs. 4a Satz 1 EStG), ist bei der Ermittlung des Substanzwerts demnach anzusetzen. Dazu gehören auch selbst geschaffene oder entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter (z. B. Patente, Lizenzen, Warenzeichen, Markenrechte, Konzessionen, Bierlieferrechte). Geschäftswert-, firmenwert- oder praxiswertbildende Faktoren, denen ein eigenständiger Wert zugewiesen werden kann (z. B. Kundenstamm, Know-how) sind ebenfalls mit einzubeziehen, unabhängig davon, ob sie selbst geschaffen oder entgeltlich erworben wurden.
- Eine zukünftige Ertragsteuerbelastung (latente Ertragsteuern) ist nicht wertmindernd zu berücksichtigen (BFH vom 27.09.2017, BStBl II 2018, 281).
- Rücklagen und Ausgleichsposten mit Rücklagencharakter sind im Allgemeinen nicht abzugsfähig, weil sie Eigenkapitalcharakter haben (§ 103 Abs. 3 BewG).
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Ansatz der Höhe nach (Wertansatz) |
Grundsatz |
Gemeiner Wert (§ 11 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 9 BewG) |
Grundbesitz, BV und Anteile an KapG, wenn gesonderte Feststellung i. S. d. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BewG |
Grundbesitzwert, BV-Wert und Anteilswert. Basiswertregelung beachten (§ 151 Abs. 3 BewG) |
Bewegliches abnutzbares Anlagevermögen |
Ansatz eines angemessenen Restwerts i. H. v. mindestens 30 % der AK/HK möglich, wenn dies nicht zu unzutreffenden Ergebnissen führt |
Genossenschaftsanteile |
Nennwert (§ 12 Abs. 1 Satz 1 BewG) |
Umlaufvermögen |
Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungskosten. Ihr Wert kann auch nach der retrograden Methode ermittelt werden. Aufgrund der Verbrauchsfolgefiktion des Lifo-Verfahrens gebildete stille Reserven sind anzusetzen. |
Erfindungen oder Urheberrechte |
Der gemeine Wert von Erfindungen oder Urheberrechten, die in Lizenz vergeben oder in sonstiger Weise gegen Entgelt einem Dritten zur Ausnutzung überlassen sind, wird in der Weise ermittelt, dass der Anspruch auf die in wiederkehrenden Zahlungen bestehende Gegenleistung kapitalisiert wird, soweit keine anderen geeigneten Bewertungsgrundlagen vorhanden sind. Hierfür sind die vertraglichen Vereinbarungen mit dem Lizenznehmer maßgeblich. Ist keine feste Lizenzgebühr vereinbart und die Vertragsdauer unbestimmt, kann auf die letzte vor dem Besteuerungszeitpunkt gezahlte Lizenzgebühr und eine Laufzeit von acht Jahren abgestellt werden. Der Kapitalisierung ist der marktübliche Zinssatz zugrunde zu legen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn auf den Zinssatz abgestellt wird, den die Deutsche Bundesbank anhand der Zinsstrukturdaten aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen jeweils auf den ersten Börsentag des Jahres errechnet (Basiszins). Der Basiszins ist um einen Zuschlag von 4,5 % zu erhöhen. Die Summe aus Basiszins und Zuschlag ergibt den Kapitalisierungszinssatz. Dieser Zinssatz ist für alle Wertermittlungen auf Bewertungsstichtage in diesem Jahr anzuwenden. |
Liquidationsfälle |
Liquidationswert (einschließlich der Liquidationskosten, die z. B. für einen Sozialplan anfallen) |
3.2.4.3 Ermittlung
Rz. 57
Die KapG hat nach amtlichem Vordruck eine Vermögensaufstellung auf den Bewertungsstichtag als Anlage zur Feststellungserklärung abzugeben, aus der sich die für die Ermittlung des Substanzwerts erforderlichen Angaben ergeben (§ 153 Abs. 3 BewG).
Dabei ist das Vermögen der KapG mit dem gemeinen Wert zum Bewertungsstichtag zugrunde zu legen (Stichtagsprinzip, § 11 ErbStG). Stimmt jedoch der Bewertungsstichtag nicht mit dem Schluss des Wirtschaftsjahrs überein, auf den die KapG einen regelmäßigen jährlichen Abschluss macht, und erstellt die KapG keinen Zwischenabschluss, der den Grundsätzen der Bilanzkontinuität entspricht, kann nach Ansicht der FinVerw (R B 11.6 Abs. 2 und 3 ErbStR) aus Vereinfachungsgründen de...